Manga-Do_FlyerAm 25.01.2014 wurde im Gasteig in der Black Box ein Vortrag zum Thema Manga gehalten, mit dem die Ausstellung, die vom 23. Januar bis zum 9. Februar laufen wird, unterstützt wurde.

Der Vortrag wurde von Harald Havas aus Wien gehalten, der sich als Autor und Referent (u.a. im ComicSalon Erlangen) einen Namen gemacht hat. Er ist zusätzlich als Begleiter einer Comicklasse in Österreich unterwegs.

Gasteig_2014_ZuhoererDas konnte sich Eure Rezensentin natürlich nicht entgehen lassen, weshalb ich mich nach meiner Frühschicht am Abend um kurz vor 19 Uhr am Gasteig einfand. Nur ein kurzer Blick in die Ausstellung war möglich, bevor es schon losging, denn obwohl am Anfang die Black Box noch ziemlich leer war, füllte sie sich so rasch, dass am Ende Einweiser die letzten Sitzplätze finden mussten. Grob überschlagen würde ich sagen, dass die 200 Sitzplätze, für die man sich über das Internet anmelden konnte, alle besetzt waren.

Vor dem Vortrag traten „Tsuki no Senshi“, eine Cosplay-Gruppe, die verschiedene Anime und Manga in Tänzen darstellt, auf. Sie interpretierten ein Stück von „K-ON!“ und „Bleach„, die jeweils von den passenden Kostümen und Perücken unterstützt wurden.

Harald Havas

Harald Havas

Danach kam der Vortrag von Harald Havas. Innerhalb kürzester Zeit brachte er das Publikum auf seine Seite, das aus einer breit gefächerten Zuhörerschaft bestand. Junge Menschen, von denen einige Japanologie studierten, waren ebenso darunter wie Senioren und sämtliche Altersstufen dazwischen. Rosa Perücke hockte neben ergrautem Brillenträger im Anzug.

Ich konnte einen Platz am Rand in der ersten Reihe ergattern und hatte damit uneingeschränktes Sichtfeld.

Havas referierte über „Faszination Manga“. Manga sind seit 50 Jahren als Massenphänomen in Deutschland angekommen, was mich ein wenig überraschte, da ich die Länge der Zeit trotz meines Wissens um „Heidi“ und andere Anime, die im deutschen Fernsehen liefen, unterschätzt hatte.

Während es schon lange Comics gab, gab es aber in Deutschland im Gegensatz zu Amerika noch keine Fanszene, die sich vor allem in den letzten Jahren sehr ausgebreitet hat – wer kennt nicht die Massen von Cosplayern, die in der Leipziger Buchmesse die Gänge unsicher machen, in Zeitungen und Zeitschriften auftauchen?

Havas ging danach auf die Voraussetzungen ein, die es benötigte, um Manga in Deutschland bekannt zu machen. Um das Jahr 2000 herum waren Comics nahezu vollkommen aus den Kiosken verschwunden. Dazu stellten Manga einen kompletten Gegensatz zu den bekannten frankobelgischen und amerikanischen Comics dar. Sie waren in schwarz/weiß und in einem kleineren Format als die gewohnten großen und farbigen Alben. Während in den 1970er und 1980er Jahren die Comicwelt vor allem aus heutigen Klassikern wie den bunten und billigen Heften „Lasso“, „Vanessa“, „Conny“, etc. und den sogenannten „Funnies“ wie „Micky Maus“ und „Fix & Foxi“ bestand, traten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre die Computerspiele, das Fernsehen und das Internet ihren Siegeszug an. Das Comic hatte mehr oder weniger ausgedient und wandte sich nurmehr an Erwachsene dank der hochwertigen und teuren Alben und Kinder mit den Heftformaten.

Tsuki no Senshi als "Bleach"

Tsuki no Senshi als „Bleach“

In den 1990er Jahren dann kam das Loch am Kiosk, bis sich der Dino-Verlag an Heftcomics wie die „Simpsons“ wagte. Dank der erfolgreichen Verkaufszahlen kamen schließlich auch die amerikanischen Superhelden nach Deutschland.

Währenddessen hatten Frankreich, Amerika und Italien bereits in den 1980er Jahren einen Boom im Manga-Bereich zu verzeichnen. Deutschland hinkte mal wieder hintennach und kam erst 20 Jahre später in den Genuss.

Da 2000 die Comics am Kiosk fehlten, kam die Faszination für Mangas dank des enormen Booms durch das Fernsehen – u.a. Sailor Moon und Dragon Ball. Damals waren beispielsweise die Sailor Moon-Hefte hinter der „Micky Maus“ das meistverkaufte Heft am Kiosk. Doch die Comicverlage wussten nicht recht, wer eigentlich als Zielgruppe für diese seltsamen farblosen und verwirrend gezeichneten Büchlein gedacht war, nach denen nun immer lauter gerufen wurde. Bis schließlich deutlich wurde, dass die Manga genau die Lücke schließen, die sich zwischen den Veröffentlichungen befand, die sich an die Kinder und die Erwachsenen wandten: Jugendliche und Heranwachsende.

Die Gründe für den Mangaboom bestehen nach Havas in fünf Punkten:

1. Markt: Das Comiclesebedürfnis wurde durch die Manga gestillt, denn wer als Kind bereits Comics lesen durfte, sehnte sich nach wie vor nach dieser Lektüre. Doch bis zu den Manga gab es keine Veröffentlichungen, die interessant genug waren, um Jugendliche anzusprechen.

2. Stil: Er ist anders, zieht in das Geschehen durch seine Dynamik hinein und unterscheidet sich selbst in der „Kameraführung“ der Panels von seinen westlichen Verwandten. Die Zeichnungen verzichten oft auf Hintergründe und leben von Speedlines. Manga sind gefühlsbetonter als westliche Comics, so dass die Figuren eine weitaus ausdrucksstärkere Mimik haben. Die Verwandlung der Charaktere in verniedlichte und deformierte Wesen sind Lesern der Rezensionen auf Lazy Literature ja schon lange ein Begriff.
Der Humor ist ein großer Bestandteil von Manga. Selbst im ernstesten Manga gibt es auflockernde Momente oder einen amüsanten Nebencharakter, was in westlichen Comics undenkbar zu sein scheint.
Die unterschwellige Erotik, die im Manga vorherrscht, zeigt, dass hier mit Nacktheit komplett anders umgegangen wird als im westlich-christlichen Raum.
Sehr positiv ist, dass es sehr viele Frauen in den Mangas gibt, was natürlich vor allem Leserinnen anspricht, die sich dort wiederfinden. Im westlichen Comicbereich gibt es nur selten weibliche Heldinnen oder Figuren, die sich zur Identifikation eignen.

Anime-Cel

Anime-Cel

3. Exotik: Japan bietet als Handlungsort bereits die perfekte Grundlage für einen vollständig anderen Lebensraum, in dem sich der Leser verlieren kann. Die Schuluniformen, das andere Essen, die Feiertage, Symbole, die beispielsweise Scham (Leser erinnern sich vielleicht an den kleinen Schweißtropfen neben manchen Gesichtern), Ärger oder Verwirrung darstellen, und sogar das Ansprechen der Figuren untereinander (s. „-chan“, „-kun“ oder „-san“) sorgen für ein exotisches Gefühl und das Eintauchen in eine andere Welt.
Ein gewisses Insiderwissen stellt sich ein, das dafür sorgt, dass Manga-Leser sich untereinander austauschen können, während andere manches davon nicht verstehen. Das beginnt bereits bei der Leserichtung, die inzwischen von den deutschen Verlagen im Original belassen wird – also von rechts nach links.

4. Inhalt: Die Leser verfolgen die Mangas über lange Zeit – „Detektiv Conan“ bereits seit über 78 Bänden, „Dragonball“ bestand aus 42 Bänden und „Sailor Moon“ aus 18 Bänden. Dadurch stellt sich eine Art Soap-Feeling ein, das auch Fernsehzuschauer kennen, die ihren Sendungen entgegen fiebern. Die Figuren entwickeln sich und wachsen dem Leser damit ans Herz, was zum letzten Punkt führt:

5. Charaktere: Die Figuren sind wie echte Menschen. Es gibt zahlreiche Informationen über sie, so dass Leser die Blutgruppe, das Lieblingsessen, die Träume und Wünsche der Charaktere kennen. Sie sind in Gruppen anderer Menschen eingebunden, wie ihre Familie, ihre Schulklasse oder in eine Liebesbeziehung.

Somit sind Mangas, laut Havas, oft triviale, aber gut gemachte Soaps, die faszinieren, weil sie fremd sind.

Es ist wohl offensichtlich, dass mir der Vortrag sehr gut gefallen hat. 🙂

Danach folgte noch eine Interpretation von „Neon Genesis Evangelion“ durch „Tsuki no Senshi“.

"With the Light" - bisher nur auf englisch erhältlich

„With the Light“ – bisher nur auf englisch erhältlich

Ich wechselte kurz darauf den Platz, da hinter mir zwei nette junge Damen saßen, die sich über die folgenden vier Folgen „Bakuman.“ unterhielten. Wir hatten ein paar sehr unterhaltsame Stunden, während denen wir viel Spaß beim Anime-Gucken hatten.

Leider musste ich danach doch rasch wieder nach Hause – Frühschicht am nächsten Tag. Aber ein kleiner Blick in die Ausstellung zeigte noch wahre Perlen wie Cels von Animes oder auch einen Ausschnitt eines Kleinods wie „With the Light“, eines Mangas, das sich um einen autistischen Jungen dreht, den der Leser über seine Geburt bis zu seiner Schulzeit begleitet.

Wer also noch die Gelegenheit hat, in München eine Stippvisite zu machen oder dort lebt, sollte sich in den Gasteig begeben und die herrliche Ausstellung ansehen.

Viel Spaß!