Manfred Poser 01 2015Manfred Poser hat sich in seinem aktuellen Buch des Placebo-Effekts angenommen.

Im Zuge dessen gab es natürlich noch ein paar Fragen, denen er sich für Lazy Literature gestellt hat. Sein Blog kann unter diesem Link gefunden werden. (Foto: Copyright Manfred Poser)

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, über den Placebo-Effekt zu schreiben?

Mein Verleger Peter Michel hatte den Einfall, und er musste mich eigentlich dazu überreden. Komisch, ich hatte erst das Gefühl, über den Placebo-Effekt dürfe man nicht schreiben; er müsse geheim bleiben, um weiter wirken zu können.

Was genau hat Sie daran besonders fasziniert?

Ich bin ja nicht in einem Heilberuf tätig und habe nicht mit kranken Menschen zu tun, bin eigentlich Denker und Theoretiker, und da fand ich es philosophisch unfassbar, dass etwas wirkt, das eigentlich nicht wirken sollte. Man hat den Eindruck, dass alle Wesen instinktiv handeln und von Reflexen bestimmt werden; der bewusste Anteil an Entscheidungen und Reaktionen ist gering. Ich sehe, dass das Placebo-Problem noch längst nicht durchdacht ist, da wird es noch viele Bücher brauchen.

Was hat sich bei Ihnen geändert, nachdem Sie die Forschungen zusammengetragen und das Buch geschrieben haben?

Nachdem ich das Buch geschrieben hatte, sah ich plötzlich für mein Leben ganz klar, dass auch ich, ein kleiner Mensch ohne medizinische Ausbildung, bisweilen für jemanden ein Heiler sein könnte, in der Rolle eines „wounded healer“. Dass jeder mit gutem Willen und Sympathie kleine Wunder bewirken kann. Ich bitte (oder bete) nun auch öfter für Menschen, die krank sind.

Welche Pläne haben Sie für zukünftige Buchprojekte?

Derzeit ergänze ich ein E-Book über den Radsport („Radsport furios“), weil ich ein leidenschaftlicher Radfahrer bin. Und ich arbeite an etwas Verwegenem, nämlich einem Versepos, einem (am Ende) 150 oder 200 Seiten langen Roman, der vollständig durchgereimt sein soll. Das ist, merke ich, wahres Dichten. Das macht große Freude.

Manfred Poser 02 2015Sie haben in Rom und St. Gallen gelebt, wo Sie als Autor tätig waren. Was hat Sie an diesen Städten angezogen und hatte das Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Nach Rom und St. Gallen bin ich durch meine frühere italienische Partnerin gekommen. Ich musste nur nicken, aber es war natürlich eine Entscheidung. Rom mit seiner riesengroßen Aura und dem guten Wetter, da fiel sie nicht schwer. St. Gallen gefiel mir wegen der Nähe zum See und den Bergen, und weil ich schon immer eine Weile in der Schweiz hatte leben wollen. Rom ist eine laute, hektische Stadt, und man ärgert sich oft. Die Stadt kommt einem sehr nahe. St. Gallen dagegen war beschaulich und ließ mich in Ruhe. Da gibt es diese wunderbare kantonale Bibliothek, die Vadiana. Da las ich viel über islamische Mystik und Religionen, und damals (2008) bekam ich auch den Auftrag für eine Ausstellung in Bern über Kontakt mit dem Jenseits, wodurch ich erst vom Leben nach dem Tod überzeugt wurde. Davon nun andere zu überzeugen, ist heute eine wichtige Mission für mich.

Wie würden Sie den Unterschied zwischen der Arbeit eines Journalisten und der eines Autors beschreiben? Gibt es einen Beruf, der Ihnen besser gefällt?

Ein Sachbuchautor arbeitet eigentlich wie ein Journalist. Er trägt den Stoff zusammen und schreibt so, dass eine komplexe Materie von allen verstanden wird. Da muss er sein Material gut verwalten und dauernd kürzen wie der Journalist, der vom Termin heimkommt und aus fünf Seiten Notizen 50 Zeilen machen muss. Der Romanautor geht anders vor, er fängt bei einem Kern an, einem Einfall, an den sich andere anlagern, und er weitet das immer weiter aus und lässt etwas wachsen. Hinterher zu merken, dass in der Geschichte etwas passiert ist, dass die Figuren gehandelt haben fast ohne Zutun des Autors, das ist die schönste Erfahrung. Und natürlich, auch mal lesen zu dürfen und mit Leuten darüber zu sprechen, das kommt ja immer viel zu kurz. Viele Leute schreiben, wenige lesen, und noch weniger tauschen sich darüber aus.

Welche alternativen Therapien und Methoden haben Sie besonders beeindruckt?

Ich finde die Hypnose am beeindruckendsten und denke, dass es ein Jammer ist, dass Franz Anton Mesmers Werk nicht konsequent weitergeführt wurde. Diese Stellen, in denen Milton Erickson zu Wort kommt, die gefallen mir am besten. Und dann noch die Therapien, bei denen der Therapeut oder die Therapeutin sich völlig zurückhält, praktisch gar nichts tut, nur liebend anwesend ist – das finde ich einfach großartig, weil da genau der Placebo-Effekt eintritt: Selbstheilung, ermöglicht durch diskrete menschliche Zuwendung.

Vielen herzlichen Dank für das Interview.