Lia Habel ist die Autorin von „Dark Love“ (Dearly, Departed), erschienen im Piper-Verlag. (Foto: Copyright WinterWolf Studios)
Danke, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen.
Danke, dass Sie mich interviewen wollen!
Ihr Roman „Dark Love“ ist in Deutschland erschienen und hat die Herzen der Leser im Sturm erobert. Wie in aller Welt sind Sie auf die Idee eines Zombie-Helden in einem Steampunk-Universum gekommen?
Ich glaube, beide Ideen kamen mir unabhängig voneinander, aber schließlich fügten sie sich auch wirklich gut zusammen. Die Zombie-Idee kam mir definitiv zuerst. Ich wollte eine Geschichte schaffen, die eine Monster-Mensch-Beziehung beinhaltet, und ich wollte, dass das Monster seinen Wurzeln treu bleibt – also wirklich monsterlich ist, nicht eine Art paranormales Vorzeigemuster für sexy, das immer das Mädchen bekommt. Ich wollte auch, dass sich die Beziehung langsam entwickelt und auf mehr basiert als gutem Aussehen. Ich liebe Monster aller Art – ich bin besessen von Horrorfilmen -, daher war es nicht schwer, Zombies als die „Kreaturen“ auszuwählen, die ich wollte. Ich empfinde große Sympathie für die Untoten und glücklicherweise war ich in der Lage, das den Lesern zu vermitteln.
Auf das Steampunk bezogen – nun, das bin eben ich. Ich liebe alles Neo-viktorianische, Steampunk oder Anachronistische. Ich hatte immer das Gefühl, als ob ich im falschen Jahrhundert geboren worden wäre. Daher war auch dieser Pfad sehr einfach für mich zu nehmen.
Wie ist es möglich, dass Sie so glaubhaft aus der Sicht eines männlichen Zombies schreiben können? Gibt es da etwas, das wir Leser über Ihren „Lebensstatus“ wissen sollten? 😉
Ne, ich bin definitiv lebendig und weiblich! XD
Ich mache meine Persönlichkeit dafür verantwortlich – ich hatte schon immer sowohl ultra-weibliche und ultra-männliche Interessen. Ich hasse es, über Interessen oder Persönlichkeitsmerkmale in Begriffen von männlich/weiblich zu sprechen – Essentialismus bezüglich der Geschlechterfrage ist so langweilig! Aber das ist der einfachste Weg, um zu vermitteln, was ich meine. Ich hatte immer eine gleich große Zuneigung zu gerüschten Kleidern und großen Pistolen, romantischen viktorianischen Geschichten und Actionfilmen voller Explosionen. Ich bin sowohl das süßeste, unterwürfigste Ding als auch eine Brutale, die flucht und das Kommando übernimmt. Meine Eltern ließen mich alle Interessen verfolgen, die ich mochte, und daher fühlte ich mich nie eingeengt oder verurteilt – ich liebe, was ich liebe, und bin, wer ich bin.
Ich denke, Bram kam aus der „männlichen“ Seite meiner Persönlichkeit – aber er ist kein fluchender Brutalo! Weit entfernt. Ich wollte, dass mein Held durchgreifen konnte, aber diese Eigenschaft auch mit Intelligenz und Sanftheit ausgleichen. Ich glaube, uns wird zu oft diese macho-hafte, brütende Sicht auf Männlichkeit verkauft, und ich wollte, dass Bram anders ist. Sicher, er kann Blei in einen Zombieschädel pumpen, wenn er muss, aber er ist auch sehr aufmerksam und klug. So wie ich glaube, dass die Welt mehr starke weibliche Charaktere braucht, denke ich auch, dass sie ausgewogenere männliche Charaktere braucht.
Erschreckt Sie der Gedanke, ein Zombie zu werden? Wie würden Sie reagieren, wenn Sie mit einer ähnlichen Situation wie Ihre Heldin konfrontiert werden würden?
Die Vorstellung, ein Zombie zu werden, schreckt mich ehrlich nicht – obwohl natürlich der Gedanke an den Tod genauso verstörend ist wie der an eine Infektion. Wir sind schließlich alle darauf programmiert, Tod und Krankheit zu fürchten, und dieser Instinkt ist schwer zu überwinden. Aber zumindest würde ich, wenn ich ein Zombie werden würde, etwas mehr Zeit haben – Zeit, um etwas nützliches zu machen, meine Fehler wieder gut zu machen und von den Menschen, die ich liebe, Abschied zu nehmen. Das wüsste ich zu schätzen.
Und wenn ich mich jemals in Noras Schuhen wiederfinden würde? Diese Tür würde ich in nullkommanichts öffnen. Wie ich sagte, liebe ich Monster – ich wäre dabei, bevor Elinoy seinen Mund öffnen könnte. Ich würde alles über sie wissen wollen. Ziemlich armselig, nicht?
Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen den Dialogen der Leute, bei denen Nora aufgewachsen ist, und den Zombies, die sie danach trifft. Wann haben Sie sich entschieden, die beiden Gesellschaften durch ihre Sprache voneinander abzugrenzen?
Ich glaube nicht, dass sie verschieden sind (vielleicht hat die Sprache etwas durch die Übersetzung hinzugewonnen!), aber ich denke, dass die Zombieteenager definitiv gesprächiger und sarkastischer sind – Galgenhumor ist eine großartige Bewältigungsstrategie für sie. Und dann denke ich, dass die Punks viel weniger formal sind als die Neuviktorianer – ihre Gesellschaft ist weitaus ausgeglichener in Bezug auf die Gesellschaftsschichten. Ich neige dazu, die Neuviktorianischen und Punk-Unterschiede als eine Art Spektrum zu sehen, statt als ein Regelwerk, denn es gibt arme Neuviktorianer, die in den Slums von New London leben, steinreiche Punks, die sich vielleicht um gute Manieren bemühen, und alle möglichen Arten von Leuten dazwischen. Es ist eine riesige, facettenreiche Welt, die ich geschaffen habe, und ich hoffe nur, dass ich so viel davon erforschen darf, wie ich will!
Im Moment arbeiten Sie an der Fortsetzung zu „Dark Love“. Wird es eines Tages einen Roman mit einer älteren Heldin geben? Was erwartet uns Zombie-Fans?
Ja, ich arbeite an „Dearly, Beloved“ im Moment, was großartig ist! Ich möchte eine ganze Serie machen, die sich um den Dearly-Klan dreht, aber wir werden sehen, was in den Karten steht. Ich arbeite an ein paar weiteren Jugendromanangeboten momentan – ohne Zombies, aber mit vielen Monstern. Ich möchte nicht zu viel verraten. Geschichten für Erwachsene – wer weiß? Ich habe derzeit keinerlei Pläne, eine derartige Geschichte zu schreiben, aber schließlich dachte ich auch nie, dass ich „Dark Love“ schreiben würde.
Auf Ihrer Webseite versuchen Sie, jeden Zombiefilm zu sehen, der je gedreht wurde. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Es begann alles als Witz (alle meine großen Errungenschaften beginnen als Witze!), kurz nachdem ich meinen Agenten bekommen hatte. Seit damals (ich glaube es war 2009) versuche ich, jeden jemals gedrehten Zombiefilm anzusehen, ja. Das beinhaltet das neuerliche Ansehen von vielen Filmen, die ich schon gesehen habe, um sie auf faire Weise in meine Rechnung einbeziehen zu können. Ich bin nun über die Hundert hinausgekommen. Ich sehe es als eine Art anthropologisches Projekt: Ich versuche kritisch über all die Filme nachzudenken, die ich gesehen habe, selbst die lächerlichsten, und das herauszuziehen, was sie über Zombies im Bereich Soziologie, Biologie usw. zu berichten haben. Bisher war es sehr interessant.
Im Moment kriechen Zombies aus jeder Ecke der Literatur und Graphic Novels/Comics, wie es scheint. Was glauben Sie ist der Reiz an Zombies?
Ich glaube der liegt darin, dass sie Menschen sind und ihr Schicksal unseres ist. Ich versuche den Begriff „lebend“ zu benutzen im Gegensatz zu „menschlich“ aus genau diesem Grund: Zombies sind im Grunde wir selbst. Sie sind nur tote Menschen. Wenn man in die Augen eines toten Mannes sieht, sieht man die eigene Zukunft. Ich glaube das ist es, was sie gleichzeitig so erschreckend und so tragisch macht, und schlussendlich so nützlich als Metapher.
Bezüglich ihrer aktuellen Beliebtheit – wer kann das schon sagen? Abgesehen von der Tatsache, dass wir in unsicheren, gewalttätigen Zeiten leben und Zombies ein fantastischer Weg sind, um Konzepte wie Tod, Krieg und Krankheit zu erforschen, mit diesen Konzepten umzugehen und eine Art Katharsis zu erreichen, glaube ich auch, dass es etwas mit Einfachheit zu tun haben könnte. Während schwerer Zeiten neigen wir dazu, uns auf einfache Dinge, einfachere Zeiten zurückzubesinnen, vielleicht sogar ein wenig zurückzuentwickeln (Marken wie die „Muppets“ und Polaroid-Bilder scheinen beispielsweise ein Comeback zu feiern) – und Zombies sind, egal ob gut oder böse, sehr einfache Kreaturen. Sie sind, wie ich sagte, tote Körper. Nicht mehr. Die Regeln, die sie umgeben, neigen dazu viel einfacher zu sein als die Regeln, die andere Kreaturen bestimmen, wie Vampire und Werwölfe. Sie sind verständlich – ihr Schmerz, die Angst, die sie verbreiten. Sie sind auf bestimmte Art geradezu beruhigend.
Da Sie sich für Zombies interessieren, gibt es ein Manga, das Sie amüsieren könnte: Highschool of the Dead. Selbst Sherlock Holmes ist unter den Untoten unterwegs (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies). Lesen Sie Comics?
Ich liebe Comics, aber ich habe bisher noch nicht „Highschool of the Dead“ gelesen. Mein derzeitiger Favorit ist „Ruse“ (sowohl das Original wie auch die Neuauflage – obwohl ich nicht sicher bin, ob das eingestellt werden wird) und „Elephantmen“. „Elephantmen“ ist einer der wenigen Comics, die mich zum weinen bringen. Es ist erwachsener, aber ich liebe es. Aber natürlich ist Alan Moore mein absoluter Lieblingsautor.
Was für ein Buch liegt derzeit auf Ihrem Nachttisch?
Momentan lese ich „A Traffic of Dead Bodies: Anatomy and Embodied Social Identity in Nineteenth-Century America“ von Michael Sappol. Ich neige dazu, vieles in dieser Richtung zu lesen – medizinische Texte, Body Farm-Reporte usw.). Dazu kommt noch „Mrs. Beeton’s Book of Household Management“ von Nicola Humble. Das ist eine viktorianische Abhandlung darüber, wie man einen Haushalt unterhält und Diener organisiert, etc. Ich lese meist Sachbücher – mich dazu zu bringen, Romane zu lesen, ist wie das Ziehen von Zähnen. Ich bin nicht sicher, warum mein Geschmack sich so drastisch geändert hat, seit ich ein Kind war, denn als ich jünger war, verschlang ich Fiktion in einer erstaunlichen Geschwindigkeit.
Welche Romane haben Sie am meisten genossen?
Selbst als Mädchen habe ich Klassiker geliebt! „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë, „Das Phantom der Oper“ von Gaston Leroux (mein absolutes Lieblingsbuch), alles von Sir Arthur Conan Doyle oder Rudyard Kipling, „Sara, die kleine Prinzessin“ und „Der geheime Garten“ von Frances Hodgson Burnett, „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll. Tatsächlich ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen der Kauf von uralten, zerfallenden Büchern auf Etsy, einer Börse für Handgefertigtes, und Ebay, und ich lese sie, statt sie als Dekoration oder Unterstützung für mein Handwerk zu nutzen, wofür sie eigentlich gedacht waren. Ich liebe es, verstaubte Pulp-Romane zu lesen, die Taschenbücher der damaligen Zeit. Manchmal findet man absolut lächerliche Dinge – wie einen kompletten Roman, der im Grunde glühende Fanfiction über Lord Byron ist, aus dem Jahre 1911. Die Menschen ändern sich nie!
Danke für das Interview. Ich wünsche Ihnen alles Gute und kann den nächsten Teil von Nora Dearlys Abenteuern kaum erwarten.
Das englische Original-Interview ist hier zu finden.