Kompakt:

Eine actionreiche Dystopie für erwachsene Leser, die Thriller mögen und sich nicht scheuen, ihren Blick auf eine komplexe neue Weltordnung zu werfen.

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Timisono – Centum Night
Autor Lou Timisono
Verlag Balladine Publishing
Erschienen Mai 2014
ISBN 978-3-945-03517-7
Seitenanzahl 360 Seiten

Inhalt

In einem mitteleuropäischen Land der Zukunft: Als das kapitalistische System kollabierte, brach ein Bürgerkrieg aus. Diesen nutzte die Coastal Alliance aus, um sich einen weiteren Alliierten zu schaffen. Nach erfolgreichem Anschluss wurde das Land in drei Zonen eingeteilt: die Victory Zone Youbeaux Naxton, die Safety Zone Solocity und die Crime Zone Bonnieville.

Secret Agent Eddie Bellefleur kannte die Welt noch als sie unabhängig von der Coastal Alliance war. Doch jetzt steht er im Dienst des Younax Committee und muss in einer unglaublichen Sache ermitteln. In Solocity geschieht eine Reihe von Morden – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da die Solos (die Bewohner von Solocity) von dem allgegenwärtige „The Eye“ überwacht werden. Aber irgendjemand hat es geschafft, dieses zu umgehen …

Stil und Charaktere

Wie man es dreht und wendet, für eine relativ kurze Inhaltsangabe umfasst „Centum Night“ einfach zu viele Dinge und Personen, die dringend erwähnt werden müssten. Da ist zum einen der Solo-Ermittler Eddie Bellefleur, das Relikt einer vergangenen Zeit, in der es noch Demokratie und freie Meinungsäußerung gab – in seine Kategorie fallen auch Doktor Reinhard aus Bonneville oder Eddies Kindheitsfreund und heutiger Secure-Troop-Officer Blue. Oder auch die mafiösen Bonnie-Bösewichte Jubal Luz und Sandy Barbosa, die mit ihrer Group 99 die herrschende Regierung der Coastal Alliance stürzen wollen. Ganz zu schweigen von all jenen, die im neuen System aufgewachsen und demgemäß konditioniert wurden, wie der Decider Ilka Landorff, die in der „wir“-Form von sich spricht und die intensivste zwischenmenschliche Beziehung mit ihrem Hologramm Jonathan führt.

Die Vielzahl der vorkommenden Charaktere ist Fluch und Segen zugleich: Die kapitelweise abwechselnde Perspektive öffnet den Blick auf die unterschiedlichen Seiten des Systems, verwirrt aber auch, wenn man sich anfänglich im Erzählkosmos noch nicht zurechtfindet. Denn neben der Herausforderung, sich die Namen und Personen zu merken, gibt es noch zahlreiche neue Begriffe, die zwar im Glossar erläutert werden, aber dem Leser zum vollen Verständnis auch einiges abverlangen. Ihre Motivation hinter den anglo- und frankophilen Wortkreationen/Begrifflichkeiten erklärt Lou Timisono in einem Interview, das sie mit uns geführt hat.

Das von der Autorin dem Inhalt vorangestellte Zitat von William Blake fasst in zwei Zeilen zusammen, worum es bei „Centum Night“ geht: „Some are born to sweet delight / some are born to endless night“. In der Welt der Coastal Alliance gibt es trotz der Pufferzone Solocity nur diese beiden Seiten. Doch die Welt der ‚Gewinner‘, Yobeaux Naxton, ist keineswegs ein solches Idyll, wie die Bewohner der Crime-Zone Bonnieville vielleicht denken. Diese profitieren zwar von luxuriösen Behausungen sowie Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der äußerlichen Jugend und Schönheit, das garantiert jedoch kein persönliches Glück. Das beste Beispiel dafür ist General Darryl Allwan, dessen Ehefrau Wanda mit ihren zurechtgespritzten 51 Jahren nach Younax-Maßstäben durchaus als schön gilt, ihn aber durch ihre Künstlichkeit abschreckt. Dass das Paar trotz beiderseitiger Affären noch verheiratet sind, spricht für die gesellschaftlich akzeptierte Doppelmoral.

Während es den Younax und Bonnies erlaubt ist, ihre Sexualität auszuleben, unterliegt diese in Solocity einer allgegenwärtigen Kontrolle. Sie wird als Quelle von negativer Energie angesehen, die die Gefühle der Menschen zu ihrem Nachteil beeinflusst. Um dem entgegen zu wirken, gibt es sogenannte WellLounger, technische Gerätschaften, mit denen sich die Solos der vorgeschriebenen Purification unterziehen müssen. Der Sexualakt, der Intimität und Nähe demonstriert, ist in Solocity genauso verboten wie Freundschaft oder Individualität. Durch das vorangegangene Schooling, während dem die Solos ideologisch konditioniert werden, verinnerlichen sie die Vorstellung des Systems. Lou Timisono führt an mehreren Charakteren vor, wie eine Konfrontation dieser mechanischen Sexualität mit der realen im Positiven wie Negativen kollidieren kann.

Sie sehen also, „Centum Night“ liefert einen sehr weitläufigen Kosmos, der zahlreiche interessante Details enthält. Die Kriminalhandlung wird zu Gunsten der Fakten rund um das Regime der Coastal Alliance leider etwas vernachlässigt. Zum Einen ist diese Vorgehensweise verständlich, wenn man die Morde im Rahmen der viel bedeutsameren Revolution sieht, die die Grundfesten des Systems erschüttern soll. Zum Anderen erfolgt deren Auflösung gegen Ende aber relativ rasch, was auf Leserseite etwas unbefriedigend wirkt. Ich denke, ein zweiter Lesedurchgang ist – zumindest für mich – unerlässlich, um das schriftstellerische Konstrukt hinter dem Roman zu begreifen – am Schluss fügen sich nämlich alle Erzählperspektiven nahtlos zueinander – und das System der Coastal Alliance zu verstehen.

Lou Timisono berichtete in unserem Interview mit ihr auch davon, dass sie bereits weitere Teile von „Centum Night“ in Planung hat. Bedingt durch die explosive Handlung gegen Ende des Buches, schürt diese Aussage natürlich die Spannung – und nach der erfolgreichen Lektüre des ersten Teils findet man sich als Leser dann sicherlich auch besser in der Welt der Coastal Alliance zurecht.

Aufmachung

Das Taschenbuch präsentiert sich mit einem Titelbild, das ein wenig an „CSI: Miami“ erinnert, aber zum actionreichen Showdown in Youbeaux-Naxton perfekt passt. Der Klappentext auf der Rückseite ist sehr kurz gehalten und gibt so gut wie gar nichts vom Inhalt preis.

Dieser beginnt mit einem Zitat von William Blake sowie einem Prolog. Die 51 nummerierten Kapitel sind mit offiziellen Dokumenten der Coastal Alliance gespickt und werden durch ein Glossar am Ende abgerundet.

Ähnliche Titel

„1984“ (George Orwell – Roman); „Schöne neue Welt“ (Aldous Huxley – Roman); „Clockwork Orange“ (Anthony Burgess – Roman); „Gung Ho – Ohne Rücksicht auf Verluste“ (Benjamin von Eckartsberg, Thomas von Kummant – Graphic Novel)

Herzlichen Dank an Balladine Publishing für das Rezensionsexemplar.