NeukirchSiegfried Neukirch reiste nach Lambarene, um Albert Schweitzer zu helfen. Er übernahm dort den Transport und übersetzte, wo Sprachkenntnisse erforderlich waren. Auf seiner Radtour von Kanada nach Feuerland und Afrika erlebte er zahlreiche Abenteuer. Diese fasste er in seiner Biografie zusammen, die er in Vorträgen auf der ganzen Welt vorstellt. (Fotos: Copyright Siegfried Neukirch)

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.
Ihr Leben steckt voller Abenteuer. Welches würden Sie als Ihr bislang größtes bezeichnen?

Mein größtes Abenteuer – wenn Sie von wirklichen Abenteuern sprechen – war in Alaska unweit von dem Eskimodorf Point Barrow, direkt am Arktischen Ozean, wo ich auf der Suche nach Eisbären, die dort zu Hause waren, durch das Eis brach. Ich wusste nicht, dass ich vom eisbedeckten Festland auf eine Eiszunge, die ins Meer ragte, geraten war. Wäre mir nicht ein einsamer Eskimofischer eilends zur Hilfe gekommen und hätte er mich nicht mit höchster Anstrengung aus dem Eisloch gezogen – es herrschten Temperaturen von 30-40 Grad minus, dann wäre mein Traum, Albert Schweitzer in Lambarene zu helfen, hier zu Ende gewesen.

Was an Albert Schweitzer hat Sie am meisten beeindruckt?

An Albert Schweitzer hat mich am meisten seine Ausstrahlung beeindruckt, sein Vorbild, seine Genauigkeit, Zuverlässigkeit, seine Ruhe, die er auch in schwierigen Augenblicken bewahrt hat. Albert Schweitzer schenkte den Menschen, die ihm begegneten, Liebe und Vertrauen.

Was hat Ihnen am Schreiben Ihrer Biografie am besten gefallen und was war Ihre größte Herausforderung?

Am Schreiben meiner Biographie hat mir am meisten gefallen, dass ich besonders auch der Jugend etwas von den schönen und interessanten Erlebnissen und Begegnungen, die ich auf meinen Reisen mit Menschen hatte, erzählen konnte. Das Buch ist auch ein stiller und tiefer Dank an die Menschen, die mir auf meiner Radtour durch Nord-, Mittel- und Südamerika und in Afrika mit Liebe und Hilfsbereitschaft in schwierigen Situationen geholfen haben. Albert Schweitzer in Lambarene zu helfen, war in meinem Leben die größte Herausforderung und ist es heute noch.

Zu wem haben Sie immer noch Kontakt in den Ländern, die Sie bereits haben?

Ich bin auf meinen Reisen so vielen wunderbaren Menschen begegnet, die wohl nicht mehr leben, aber die ich immer in Erinnerungen behalten werde, da sie mir viel bedeutet haben und ich viel von ihnen gelernt habe. Sie waren für mich große Vorbilder, die ich nie vergessen werde.

Es waren mein Gymnasialprofessor Dr. Ernst Bender, Frau Hilla von Rebay, Direktorin des Guggenheim Museums in New York, meine Professoren an der Universität von Toronto, Kanada, und der Universität Sorbonne, Frankreich, Mr. Wirt Morton, damals „Salzkönig“ der Vereinigten Staaten, dem das ganze Salz in den USA gehörte, Mr. Frank Lloyd Wright, der berühmte amerikanische Architekt, der französische Friedensnobelpreisträger Abbé Pierre aus Paris, Linus Pauling, der amerikanische Chemie- und Friedensnobelpreisträger, und Hugo Stinnes, Reeder.

Die Kontakte, die ich zu diesen Menschen hatte, sind heute noch stark in meiner Erinnerung. Diese Menschen leben in Gedanken für mich weiter, begleiten mich, ebenso wie viele andere liebe Freunde.

Siegfried Neukirch und Albert Schweitzer

Siegfried Neukirch und Albert Schweitzer

Welcher Kontakt auf Ihren Reisen hat Sie positiv überrascht?

Wenn mir Persönlichkeiten durch besonders herzliche Höflichkeit und Hilfsbereitschaft einfachen Menschen gegenüber aufgefallen sind; z.B. indem sie sich nach etwas, das einer betagten Person auf den Boden gefallen ist, bücken, um es aufzuheben. Und ebenso Menschen, die ihr Herz und ihre innere Stimme sprechen lassen und nach ihrer eigenen Überzeugung handeln. Menschen mit Zivilcourage haben mich immer überrascht, haben mir immer imponiert.

Wie hat sich Ihr Leben nach Veröffentlichung des Buches verändert?

Mein Leben hat sich insofern geändert, als mein Buch kein Verlagsbuch, sondern ein Selbstverlagsbuch ist und bedeutet, dass ich Interessenten für mein Buch selbst finden muss und es nicht einfach den Buchhandlungen überlassen kann, das Buch zu verkaufen. Das ist nicht leicht, aber eine wunderbare Herausforderung. Ich werde von Schulen und Kirchen um Vorträge gebeten; immer wieder bekomme ich von Menschen aus Deutschland und aus dem Ausland Besuch von Menschen, die mehr über Albert Schweitzer wissen möchten.

Mein Buch ist in die englische, russische und französische Sprache übersetzt, und so bin ich auch im Ausland auf Vortragsreisen und übergebe Universitätsbibliotheken mein Buch. Die letzten Jahre besuchte ich Japan, Russland, England, Frankreich und die USA. Dort hatte ich in einer Schule 400 Schüler vor mir. Das sind wunderbare Erlebnisse, beglückende Augenblicke.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Nachdem letztes Jahr ein größeres Russlandprojekt ins Wasser gefallen ist, halte ich mich jetzt an das Sprichwort „Der Mensch denkt und Gott lenkt“, d.h. ich lasse Projekte oder besser Einladungen auf mich zukommen. In diesem Jahr des 100jährigen Jubiläums der Gründung des Albert-Schweitzer-Spitals in Lambarene haben schon viele von 150 Orgelkonzerten zu Ehren von Albert Schweitzer stattgefunden. An einigen habe ich bereits teilgenommen. Eine Reise nach Frankreich und Russland habe ich jedoch trotzdem im Stillen noch vor.

Möchten Sie den Lesern noch etwas mitteilen?

Besonders jungen Lesern möchte ich die Worte mitteilen, mit denen ich in den USA in einer Schule meinen letzten Vortrag abgeschlossen habe: „Learn, learn, learn. Ein solides Wissen soll Euer Kapitel sein, das Euch keine Inflation nehmen kann. Zeit ist Gold wert, vergeudet sie nicht. Schenkt einem Menschen, vielleicht einem schwachen Schüler, der nicht wie Ihr vom Himmel gesegnet ist, etwas von Eurer Zeit. Verbündet Euch mit wertvollen und treuen Menschen und macht Euch Albert Schweitzers Botschaft von der Ehrfurcht vor allem Leben auch zum Grundprinzip in Eurem täglichen Leben und Handeln.“

Von Albert Schweitzer möchte ich noch drei seiner vielen wunderbaren Aussagen hier anführen:

„Suche Stunden der Sammlung, damit deine Seele zu dir sprechen kann.“

„Verschiebe die Dankbarkeit nie.“

„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir ungefragt gehen und Abschied nehmen müssen.“

Vielen Dank für das Interview.