Jazz Winter ist eine deutsche Erotikautorin, die sich auf BDSM-Romane spezialisiert hat. Im Zuge des „Shades of Grey“-Fiebers wurde auch einer ihrer Romane mit neuem Cover versehen und ziert nun wieder die Verkaufsregale der Erotikabteilungen. (Foto: Copyright Jazz Winter)

Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst.

Mach ich doch gerne, danke, dass du an mich gedacht hast.

Du schreibst seit einiger Zeit Erotikromane. Wie bist Du auf dieses Genre gekommen, denn ursprünglich hast Du ja in anderen Bereichen gestartet?

Angefangen habe ich mit Dark-Fantasy und Horrorkurzgeschichten für einen amerikanischen Verlag, der hierzulande deutsche Jungautoren via Wettbewerbe gesucht hatte und bei dem ich praktisch „Blut geleckt“ habe. Irgendwann habe ich für mich dann begonnen erotische Kurzgeschichten zu schreiben, allerdings mehr als „Fingerübungen“ *schmunzel*, um meinen Stil und meine Detailbeschreibungen zu verbessern. Ich habe zu dem Zeitpunkt jedoch nie gedacht, dass ich jemals Erotikautorin werde. *lach*

Allerdings bin ich dann aber an einen Punkt angekommen, wo ich mich entscheiden musste. Wenn ich wirklich als Autorin arbeiten will, wohin will ich? Eine der erotischen „Fingerübungen“ wurde dann das erste Kapitel von „Liebessklavin“ und zu dem Zeitpunkt haben viele Vanilla-Erotikautorinnen begonnen in ihren Büchern SM und BDSM einfließen zu lassen. Was ich allerdings immer wieder in Rezis gelesen habe, war meist, dass den LeserInnen zu wenig Einblick in diese Welt geboten wurde und die Themen zu oberflächlich behandelt wurden.

Irgendwie hat sich meine Kurzgeschichte / 1. Liebessklavin-Kapitel regelrecht angeboten ein BDSM Roman werden zu wollen. Also habe ich angefangen zu recherchieren, mich mit Leuten aus der Szene zu unterhalten, um so viel Info wie möglich aufsaugen zu können. Ich fand das alles so faszinierend und auch inspirierend, dass mir der Roman praktisch aus den Finger geflossen ist. So hat praktisch alles angefangen und die Welt von BDSM hat so viel Bandbreite und Facetten, dass es noch eine Menge mehr zu schreiben gibt. 😉

Was reizt Dich besonders am Thema BDSM (Bondage, Dominanz, Sadismus, Masochismus), dass es hauptsächlich im Fokus Deiner Romane liegt?

Mich reizt daran besonders das Verständnis für die Psychologie beider Seiten, die in diesen Spielen eine enorme Rolle spielt. Die Vorstellung, wie sich der devote Part vertrauensvoll völlig fallenlassen kann, sich in seine Rolle hineinversetzt und wie viel Stärke und Kraft dahinter steckt. Faszinierend ist auch, wie viel Bestimmung der devote Part tatsächlich in einem BDSM-Spiel wirklich besitzt. Aber auch der dominante Part ist interessant, schließlich muss er die völlige Verantwortung übernehmen, muss Tabus und Grenzen einhalten, das Spiel leiten, aber sicherstellen, dass der devote Part sich sicher fühlen kann.

Betrachtet man die heutige Gesellschaft mit emanzipierten, selbstbewussten Frauen, die mit beiden Beinen im Leben und überall und jederzeit ihre Frau stehen, dagegen aber dann doch die sexuelle Lust daran besitzen, sich einem Mann zu unterwerfen, ist das sicherlich nicht einfach. Dazu gehört wesentlich mehr Selbstbewusstsein und Kraft, als man als Außenstehender glauben mag. Dominante Männer in einer emanzipierten Frauenwelt haben es aber ebenfalls nicht leicht mit ihrer sexuellen Orientierung. Mir hat ein dominanter Mann mal erzählt, dass seine devote Partnerin sich von ihm gewünscht hat, sie zu ohrfeigen. Der Gedanke sie ins Gesicht zu schlagen, war undenkbar für ihn. Es stand gegen seine Erziehung, gegen seine Moralvorstellung und brachte auch die Angst mit sich, seinen Respekt vor dieser Frau zu verlieren. Es hat ihn emotional und auch persönlich ziemlich verzweifeln lassen, bis sie ihn einmal innerhalb eines Spiels so gereizt hatte, dass ihm die Hand ausrutschte. Im ersten Moment schämte er sich zutiefst, doch als er dann das Lächeln und den Glanz in den Augen seiner Geliebten gesehen hatte, war das laut seiner Aussage wie ein Aha-Effekt. Dennoch kostet es ihn auch heute noch verdammt viel Überwindung.

Ich habe während meiner Recherchen für meine Bücher so viele wunderbare und tolle Menschen kennen gelernt, die mir einen Einblick in ihre Anfänge und ihre Gedanken und Gefühle geschenkt haben, dass ich ihnen für immer dankbar sein werde.

Wie gehst Du bei der Recherche vor? Kennst Du Dich in den Bereichen des BDSM nach Deinen vielen Romanen bereits so gut aus oder musstest Du Bücher wälzen? Falls letzteres, gibt es empfehlenswertes Material, mit dem man sich als Neuling oder „Shades of Grey“-Leser in die Materie tiefer einarbeiten kann?

Ich glaube, selbst jemand der über zehn Jahr selbst in der Szene aktiv ist, hat noch nicht alles erlebt und erfahren, was es darüber zu wissen gibt. Man lernt auch in der BDSM Szene nie aus, ich denke der Spruch trifft auch hier zu. BDSM ist so facettenreich und mit so vielen Subkulturen gespickt, das es noch viel zu lesen gibt und viel zu verstehen gilt. Ich würde mir niemals anmaßen zu behaupten, ich versteh jetzt alles und kenn mich aus. *schmunzel*

Ich lese ständig und viel, schwirre in verschiedenen BDSM Foren herum und unterhalte mich mit Leuten. Daraus besteht eigentlich meine Grundrecherche. Ich denke, die Bücher, die ich mittlerweile zum Thema BDSM lese, sind für „SoG“-Leser gar nicht interessant. Das sind eher Lexikas über BDSM Praktiken, die ich kreativ für meine Romane beispielsweise involvieren kann, Biografien von Dominanten und Submissiven, die über ihren Weg zum BDSM erzählen. Für mich ist das interessant, um einfach tiefere Einblicke in die Menschen zu erhalten, ihre Gefühle, Gedanken, Ängste und ihren Mut, den Weg zu ihrer ganz persönlichen Sexualität zu beschreiten.

Für mich gibt es auch Unterschiede, ob nun jemand über erotische BDSM Romane den Kick im Kopf sucht, oder tatsächlich sexuell devot ist. Letzteren Neulingen empfehle ich statt Literatur eher zu einem BDSM Stammtisch zu gehen. Gerade BDSM Anfänger haben soviele Fragen und trotzdem Mut, auch Ängste und Bedenken – das können Bücher nicht wettmachen, aber Gespräche mit Gleichgesinnten und erfahrenen BDSMlern. Den Lesern, die den Kick im Kopf suchen, weil ihnen das Fantasiespiel der Romane gefällt – da gibt es mittlerweile viele, die liebevoll und schön geschrieben sind. Allerdings sind Geschmäcker verschiedenen und da sollte man sich einfach selbst überzeugen.

Auf der Booklover Conference in Oppenheim 2012 gab es eine Randdiskussion über den Dauerbrenner „Shades of Grey“. Hast Du selbst die Bücher gelesen oder erfreust Du Dich an den farbenfrohen Rezensionen darüber?

Ich persönlich habe nur das erste Buch als Hörbuch. Persönlich als Leser habe ich ein Problem mit Ich- und Gegenwartform als Roman, weil ich mich ungern dazu „zwingen“ lasse, mich mit der Protagonistin identifizieren zu müssen. (Ich sage aber dazu, dass dies wirklich Geschmackssache ist und ich es weder gut noch schlecht beurteile, wem diese Stilform gefällt.)

Als Hörbuch lass ich es mir praktisch von jemandem „erzählen“.  Als Autorin sollte man sich auf dem Laufenden halten, was Kolleginnen so machen und wenn ein solches Buch so einen Sturm verursacht, erst recht. 😉 Ich finde interessant, wie sehr es doch die Leser spaltet: Die einen finden es supertoll und die andere Hälfte megaschlecht. Was ich schade finde, ist das gegenseitige Anfeinden. Leserinnen, die es gut finden, werden als dumme Hausfrauen abgestempelt und Leserinnen, die es schlecht finden, wissen nicht, was gut ist. Aber auch unter Erotik-Autorinnen gab es massive Kritik, was ich ehrlich gesagt nicht ganz verstehen kann.

Ob man persönlich die Trilogie als gut oder schlecht betrachtet – es hat etwas in der Buchbranche ausgelöst. Plötzlich findet man unsere Erotikbücher nicht mehr in der hinteren Schmuddelecke der Buchhandlungen oder versteckt in einem Belletristikregal, sondern wir werden offen auf Verkaufstischen ausgelegt und auch präsentiert (neben dem Bestseller „SoG“). Anhand der Verkaufszahlen und Rankings sieht man auch deutlich, dass sich einiges getan hat für uns deutsche BDSM-Autorinnen, weil viele „SoG“-Leserinnen auch neugierig geworden sind, was es sonst noch auf dem Markt gibt. Und mal ehrlich, „SoG“ hat genau das getan, was es soll – Leser unterhalten, es hat Leser dazu gebracht, darüber zu diskutieren, sich auszutauschen über erotische BDSM-Literatur. Das ist doch toll. 😉

Das Thema Sicherheit und Vertrauen wird im BDSM besonders groß geschrieben. Wie verpackst Du diese Bereiche in Deinen Romanen, um dem Leser die Brisanz deutlich zu machen?

Puh, heiße Frage und gar nicht so leicht zu beantworten. In der BDSM Szene gibt es den sogenannten allgemein gültigen Regelcode: Safe, Sane and Consensual (abgekürzt SSC), was soviel bedeutet wie „Sicher, Gesund und Einvernehmlich“. BDSM ist eine Art Drahtseilakt für beide Parts, sowohl den Devoten als auch den Dominanten. In meinen Romanen versuche ich zu erklären, wie wichtig Gespräche sind. Das Reden über Grenzen und Tabus, wie weit das Spiel gehen darf und wo es beginnt verletzend zu werden, nicht nur für Körper sondern auch für die Seele. BDSM ist nicht nur eine körperliche Aktion, sondern auch eine psychische. Körperliche Verletzungen heilen wieder, aber seelische Narben nicht.

Wie groß die Verantwortung bei diesem Spiel ist, ist enorm wichtig, in den Vordergrund zu stellen. Aber die Verantwortung liegt nicht nur bei dem dominanten Partner, sie liegt auch in der Eigenverantwortung der submissiven Seite. Ich versuche, diese wichtigen Aspekte über Gespräche meiner Protagonisten in den Vordergrund zu stellen, aber auch über Geschichten aus ihrer Vergangenheit. Oder ich zeige ein Negativbeispiel, wie es nicht sein sollte. Ich kann nur hoffen, dass es mir einigermaßen gelingt. 😉

In „Wenn es dunkel wird im Märchenwald 2“ hast Du eine Kurzgeschichte um „Aschenbrödel“ beigesteuert. Bist Du ein begeisterter Märchenfan oder was hat Dich an dieser Anthologie gereizt?

Als ich von meiner Verlegerin Angela Weiß (Plaisir d`Amour Verlag) gefragt wurde, ob ich Lust darauf hätte ein Märchen erotisch zu adaptieren, habe ich erst einmal spontan Ja gesagt. Ohne zu wissen, wie schwer mir das fallen würde. *lach* Ich liebe Märchen, besonders die von Hans Christian Andersen. Allerdings hat mir spontan das Aschenbrödel zum Erotisieren zugesagt, also hab ich mich hingesetzt und angefangen. Ich habe auf meinem PC fünf verschiedene Versionen des erotischen Märchens und saß am Ende da und wusste nicht, welche davon jetzt die bessere ist. *lach*

Ein Kindermärchen als Erwachsenengeschichte umzumodel ist gar nicht so leicht, wie man glauben mag. Es hat ziemlich viel Spaß gemacht, aber ich persönlich musste doch über so einige Schatten springen. Besonders mich von der eigentliche Geschichte zu lösen, etwas eigenes zu schaffen und doch einen kleinen Wiedererkennungswert darin zu enthalten. Am Ende ist es wichtig, dass die Leser Spaß daran haben und ich denke, ich habe mich für die richtige Version entschieden. 😉

Welche Genre möchtest Du unbedingt noch ausprobieren? Arbeitest Du eventuell schon an einem neuen Roman, der einen anderen Bereich abdeckt? Falls nein, in welche Richtung wird Dein nächstes Buch gehen?

Im Grunde schreibe ich Romane erst seit 2009 und ich arbeite irgendwie ständig an neuen Geschichtsideen. Vieles davon aber im Erotikbereich. Ein bisschen Vanilla, einiges an BDSM und auch im erotischen Paranormalbereich habe ich noch einige Exposés hier liegen, die geschrieben werden möchten. Was mir allerdings auch ’ne Menge Spaß macht, sind Horror und Dark Fantasy. Im Grunde komme ich ja aus der Ecke mit Kurzgeschichten und Horror hat einfach eine gewisse Faszination für mich. *lach* Wer weiß, vielleicht schreibe ich ja irgendwann mal einen Horrorroman 😉 Mein Hauptaugenmerk jedoch ist und bleibt Erotik. In dem Genre fühle ich mich einfach wohl.

Mein nächster Roman wird demnächst bei Plaisir d`Amour erscheinen unter dem Titel „Undercover Lover“. Hierbei handelt es sich um einen erotischen Dominanz/Submission-Roman mit Krimielementen. Derzeit sitze ich noch an den Feinarbeiten des Manuskripts und warte auch auf das Cover, das auch diesmal von Andrea Gunschera erstellt wird. Ich bin schon so gespannt. 😉  Und der Roman, an dem ich derzeit schreibe, wird wieder in eine andere Richtung gehen. Auf meiner Facebookseite hab ich schon ein wenig angeteast mit ein paar Auszügen aus dem Manuskript und einige Leser sind recht neugierig. *schmunzel* (Vor allem halten sie mich für gemein, fies und sadistisch *lach*)

Welche Lektüre liegt derzeit auf Deinem Nachttisch? Sind darunter auch Comics zu finden oder nur Romane?

Im Moment wälze ich nur Lexikas und stöbere in biografischen Romanen über BDSMler herum, weil ich zu nichts anderem komme, neben privaten Veränderungen, Manuskriptüberarbeitung, Schreiben und krankem Hund pflegen. Ein wenig eingestaubt schon liegt neben meinem Bett ein Abercrombie, der noch gelesen werden will, ein Linda Mignani -Roman, ein Fitzek und zuletzt habe ich mir „Der geheimnisvolle Garten“ von Annette Dutton gekauft, weil ich hin und weg von der Taschenbuch-Aufmachung war. Und ja, ich habe immer noch keinen E-Reader und kaufe meine Bücher in einer Buchhandlung *lach* Alte geliebte Angewohnheiten sind einfach schwer abzulegen und Bücher sind für mich etwas aus Papier, dass auch nach Buch riecht und wo man umblättern kann. 😉

Grafische Novellen lese ich auch gern und hab auch ein paar zu Hause, die ich witzig finde. Aber es ist schwer, da das Richtige zu finden. Ich hab mich auch einige Male schon dabei völlig vergriffen, deswegen lese ich ab und an bei dir rum, seit ich deine Seite kenne und vor allem deinen Vortag bei der BLC genießen durfte. 😉

Danke für dieses nette Kompliment und danke für das Interview!

Danke, für die tollen und interessanten Fragen, liebe Julia! Das hat Spaß gemacht 😉