Eva Widermann hat sich einen Namen als erfolgreiche Grafikerin und Illustratorin gemacht. Unter anderem arbeitet sie für Wizards of the Coast, Feder & Schwert und die Egmont Verlagsgesellschaften. (Foto: Copyright Eva Widermann)

Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst.
Du bist nach Irland ausgewandert. Was war der Grund?

Wenn man so freundlich gefragt wird, kann man schlecht ablehnen. 😉 Richtig, ich bin 2009 auf die grüne Insel gezogen und hab’s bisher noch nicht bereut. Der Grund dafür war natürlich die Liebe, ganz wie in einem Märchen hab ich mich da in einen waschechten Inselkelten aus Cork verliebt und ihn auch gleich geheiratet!

Wie gefällt es Dir in Irland? Gibt es Herausforderungen an Deine Arbeitsweise?

Irland war schon immer mein Traum und ich habe schon öfter dort meinen Urlaub verbracht, dass ich jemals hinziehen würde, kam mir aber nicht in den Sinn. Wenn es sowas wie Schicksal gibt, dann hat es zumindest bei mir in der Hinsicht ordentlich zugeschlagen. Was mir an Irland am besten gefällt ist die Moral und die Ursprünglichkeit der Bewohner und natürlich die atemberaubende Landschaft. Es geht nicht so hektisch zu wie auf dem Festland und es wird weniger gemeckert und dafür mehr angepackt. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Lage sieht man besonders, wie viel Energie und Willensstärke in dem kleinen Flecken Erde steckt.

Da ich Freelancer bin und quasi überall meinen Arbeitsplatz einrichten kann (solange Internetanschluss vorhanden ist natürlich), hat für mich der Umzug auf die Insel keine großartige Umstellung mit sich gebracht. Die meisten meiner Auftraggeber sind in den USA oder Deutschland, somit bringe ich sogar  noch Geld nach Irland.

Die Iren sind ein unheimlich kreatives Volk und es gibt hier unzählige Galerien, Studios und Designerwerkstätten, Künstler-Zusammenschlüsse und Gruppenaktivitiäten, ich fühle mich also rundum wohl.

Du entwirfst Bilder für Rollenspiele wie „Engel“. Wie kam es dazu?

© Feder & Schwert

“Engel” war mein erster Auftrag als freiberufliche Illustratorin. Das muss 2004 gewesen sein… ich hatte kürzlich meine Stelle als Grafikdesignerin in einer Agentur gekündigt und die Nase voll von der Werbung. Ich wollte es mit dem Zeichnen versuchen, habe mich zur Spielemesse in Essen begeben und mich beim Verlag Feder & Schwert vorgestellt mit meinen Illustrationen. Am nächsten Tag hatte ich den Vertrag für das geplante Ordensbuch “Urieliten”. Ich war vorher schon großer Fan von “Engel” und dass ich nun dafür zeichnen durfte, hat mir unheimlich viel bedeutet. Die Publikationen für dieses Rollenspiel haben mir als Sprungbrett gedient, um weiter in die Spieleszene einzutauchen. Ohne Referenzen hat man als Frischling kaum großartige Chancen.

Spielst Du die Rollenspiele selbst, die Du illustrierst?

Hin und wieder, ja. Leider fehlt mir immer mehr die Zeit für ausgedehnte Kampagnen und Abenteuer, aber für kleinere Szenarien bin ich immer gerne zu haben. Ich habe das Glück, dass ich immer von Rollenspielern umgeben bin, und somit habe ich oft  Gelegenheit dazu, wenn mir danach ist.

Woher kommt Deine Inspiration für Deine Bilder?

Ein Leben lang schöne Bilder und Eindrücke aufgesaugt und im Kopf gespeichert. 🙂 Gute Musik ist auch ein wichtiger Faktor, wie fast bei allen kreativen Tätigkeiten. Ich beobachte viel und gerne. Wenn ich im Supermarkt bin, präge ich mir die Gesichter, die Mimiken, die Gesten und die Kleidung der Leute ein. Wenn ich radfahre, merke ich mir die Farben und die Form der Wolken, oder wie sich das Licht verhält, etc, etc… Ein großes Hobby von mir ist Reenactment, hier lernt man auf einmalige Weise, wie sich Rüstungen, Schwerter oder Kostüme in “echt” anfühlen und natürlich  hat das auch großen Einfluss auf meine Kunst.

Obwohl ich früher sehr von Disney beeinflusst war und später von Manga und Anime weiter zu frankobelgischem Comicstil gewandert bin, versuche ich heute, mich nicht mehr zu sehr an irgendwelchen bestehenden Stilen zu orientieren und lasse meiner Kreativität einfach freien Lauf und experimentiere. Als Illustrator muss man vor allem flexibel sein und nicht nur auf einer Schiene festfahren.

© Wizards of the Coast

Deine Werke sind unheimlich detaillreich und strahlen förmlich. Wie hast Du Dir diese besondere Technik angeeignet?

Ich bin Detailfizzlerin. 😉 Ein Charakterdesign zum Beispiel muss “funktionieren” können. Kleidung, Rüstung, Accessoires, alles muss harmonieren und sich mit dem Charakter bewegen können. Ich gehe sehr realistisch an meine Arbeiten heran, behalte aber dennoch einen gewissen cartoony Style. Man soll sich mit dem Charakter identifizieren wollen, aber er darf auch nicht aussehen wie ein Foto, also nicht zu realistisch sein.

Wenn ich einen Charakter erschaffe, muss er glaubwürdig sein. Das geht nunmal am besten, wenn er so gestaltet wird, dass er auf den ersten oder spätestens zweiten Blick eine eigene Geschichte erzählt. Das kann der abgerubbelte Stoff am Ellbogen sein oder ein spezieller Talisman, die Haltung, die Mimik, die Farbe der Kleidung und der verwendete Stoff…

Inzwischen gibt es doch bestimmt viele Fans, die Deinen Stil erkennen. Erhältst Du Fanpost?

Ja, ich bekomme regelmäßig e-Mails von Leuten, die meine Arbeiten gesehen haben und einfach sagen wollen, wie gut es ihnen gefällt, was ich da mache. So etwas schmeichelt natürlich und tut gut. Es ist für mich sehr schön zu wissen, dass ich mit jeder Zeichnung, die ich fabriziere, irgendjemandem da draussen in der großen weiten Welt eine kleine Freude mache. So bin ich ja auch – wenn ich eine schöne Zeichnung sehe, die mich fasziniert, lasse ich den Künstler das auch wissen. Wäre ja traurig, wenn man nie Feedback bekommen täte.

Was würde Dich reizen? Welche Arbeit würdest Du unbedingt übernehmen wollen?

Ich würde gerne einmal ein eigenes Buch illustrieren. So ein richtig komplett eigenes Projekt. Mit meinem Mann habe ich schon einige Ideen gesammelt, jetzt bräuchte ich nur noch viel, viel Zeit. 😉

In Deinem Portfolio finden sich unter anderem die Egmont Verlagsgesellschaften, für die Du Cover/Titelverzierungen entworfen hast. Willst Du das in Zukunft weiter ausbauen?

Selbstverständlich. Ich möchte mein Arbeitsgebiet so breit wie möglich fächern und mich nicht ausschließlich auf Fantasy oder Computergames konzentrieren müssen.

Wie sieht Deine aktuelle Arbeit aus und welche Projekte planst Du für die Zukunft?

Viel darf ich über aktuelle Arbeiten leider nicht preisgeben, aber es sieht alles sehr aufregend aus und ich werde die nächsten Monate sehr viel Spaß haben bei meinen Projekten. Meine Zukunft bewegt sich ein bisschen stärker in Richtung Werbe- und Editorial-Illustration, jedoch behalte ich Fantasy und Conceptart natürlich bei. Ich will lediglich nicht zum Fachidioten mutieren. 🙂 Darum bin ich immer offen für Abwechslung.

Auf Deiner Homepage hast Du einen Shop eingerichtet, in dem man Karten und Drucke kaufen kann. War das eine logische Weiterentwicklung für Dich?

Mittlerweile wird ein bisschen Fanservice erwartet und dazu gehört eben der Verkauf von Prints mit Signatur. Egal ob über die Website oder auf Conventions, es wird immer danach gefragt. Derzeit ist allerdings noch alles im limitierten Bereich, da ich von Bildern, deren Copyrights ich an Verleger verkauft habe, keine Massenproduktion machen darf.

© Eva Widermann

Wie gestaltest Du Dir Deine Freizeit – sofern Du welche hast? 😉

Die Freizeit ist natürlich ein Fluch, wenn man Künstler ist. Man macht ja schon als Beruf das, was man am liebsten tut. Mittlerweile hab ich gelernt, mir meine Zeit gut einzuteilen und mir auch meine Wochenenden frei zu nehmen. Dann gehe ich gerne in die Natur, fahre Rad, nehme an Reenactment-Events teil oder treffe mich mit Freunden auf ein nettes Pint im Pub. Ich bin relativ einfach zu haben. 🙂

Welche Bücher oder Comics zieren gerade Deinen Nachttisch? Gibt es Empfehlungen, die Du aussprechen würdest?

Ich bin ein Fan von alten Klassikern, die ich immer wieder gern lese – Jules Verne, Edgar Allan Poe, Daniel Dafoe, uvm. Dann lese ich gerne Neil Gaiman und natürlich Terry Pratchett. Und dazwischen sind dann noch Bücher über Psychologie und Verhaltensforschung, Ausgrabungsberichte zu historischen Stätten und weitere Geschichtsbücher, hauptsächlich aus der Zeit der Kelten, Römer und das frühe Mittelalter. Und ich zocke gerne Zelda auf meinem Nintendo 3DS. 😉

Ich bin furchtbar traurig darüber, dass ich meine gesamte Comicsammlung bei meinen Eltern gelagert habe, als ich nach Irland zog. Aber empfehlen kann ich vor allem “Blacksad”, “Watchmen”, “Chronik der Unsterblichen”, “Skydoll” oder “Loki”. Ich mag hauptsächlich frankobelgische Comics, sie sind meistens hervorragend gezeichnet, was für mich als visueller Mensch natürlich immer sehr wichtig ist!

Einige ihrer Arbeiten können auf Eva Widermanns Homepage betrachtet werden.