Dirk Grosser war als Autor und Vortragender, sowie als Musizierender auf der provego-Messe in Darmstadt anwesend. Dort ergab sich die Gelegenheit, einen Termin für ein Interview auszumachen, das aufgrund des spannenden Themas seines aktuellen Buches leicht mit Fragen zu füllen war. (Foto: Copyright Dirk Grosser)
Auf der provego-Messe in Darmstadt berichteten Sie von Ihrem neuen Buch „Jedes Wort kann ein Segen sein“. Dort haben Sie von Ihrer Begegnung mit einem irischen Priester erzählt, der Ihre Neugier auf diese Segensworte weckte. Bitte erklären Sie den Lesern, was ein Segen ist und wie Sie dazu gekommen sind, sich so intensiv mit der Thematik zu beschäftigen, dass sogar ein Buch daraus wurde.
2007 lernte ich durch meine damalige Arbeit für einen Verlag den irischen Priester Seán ÓLaoire kennen, der mich nachhaltig beeindruckte und mit dem mich seitdem eine echte Freundschaft verbindet. Ich bin sehr froh, immer wieder von ihm lernen zu können, sei es durch persönliche Treffen, gemeinsame Seminare oder auch Telefonate und E-Mails. Einmal sagte er mir, dass die Iren auch ohne das Christentum und ohne die druidische Tradition eine reiche Spiritualität allein aus ihren Sprichworten und Segenswünschen hätten. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mich intensiv mit diesen Dingen beschäftigt.
Der Segen sagt jemandem etwas Gutes zu, ermutigt ihn, baut ihn auf, wertschätzt seinen Weg. Der Segen ist mehr als ein persönlicher Wunsch, vielmehr bindet er das „große Ganze“ mit ein. Wenn wir sagen „Es möge geschehen, dass…“, dann laden wir ALLES ein, daran teilzuhaben und mitzuwirken. Das ganze Universum beteiligt sich sozusagen an diesem Guten, das wir unserem Gegenüber wünschen. Oft tauchen in den Segen Bilder aus der Natur auf – Tiere, Pflanzen, Landschaften, das Meer – und unterstützen den Wunsch mit ihrer Kraft.
Dadurch zeigt der Segen auch immer wieder auf, wie wir in die natürliche Welt eingebunden sind, die auf tiefster Ebene vom Göttlichen durchdrungen ist.
Einen Segen zu sprechen oder zu schreiben, kann eine ebenso heilsame Erfahrung sein, wie selbst gesegnet zu werden. Es ist eine Form von Spiritualität, die einen Dialog eröffnet. Nicht nur mit dem Gegenüber, sondern mit allem, was uns umgibt.
Was war für Sie das bisher schönste Erlebnis mit den Segenswörtern?
Das war sicherlich unser Seminar 2011 in Irland. Ein wunderschönes Haus in malerischer Landschaft und eine tolle, sehr offene Gruppe, die sich ganz auf diese Erfahrung eingelassen hat. Dabei sind unglaublich bewegende Segen entstanden, die die Teilnehmer für andere und für sich selbst geschrieben haben. Ich habe neulich noch mit einer Seminarteilnehmerin gesprochen, die sagte, dass die Menschen „durch ihre schönen Worte selbst schön wurden“. Besser kann man es wohl nicht ausdrücken!
Sie bezeichnen Segensworte als die „Spiritualität der kleinen Dinge“. Was verstehen Sie darunter?
Wie schon gesagt, verweisen die Segen auf das Gute in uns und den Dingen. Doch dieses Gute muss nichts „Großes“ sein. Jede Fähigkeit ist wertvoll und eines Segens würdig. Ob jemand nun den Friedensnobelpreis bekommt oder einfach Freude daran hat, für seine Familie und Freunde gut zu kochen, macht keinen Unterschied. Beides ist in sich ein Segen und kann mit einem Segen wertgeschätzt und unterstützt werden. Wenn wir diese Wertschätzung zum Ausdruck bringen, zeigen wir unsere Dankbarkeit für diese Person und ihre einzigartige Weise in der Welt zu sein. Überhaupt werden uns durch die Segenswünsche all die Dinge bewusst, die wir üblicherweise als selbstverständlich ansehen. Hier können wir wirklich viel von den alten keltischen Kulturen lernen, die für jede Alltagstätigkeit ein Segenswort parat hatten: Wenn der Kamin entzündet wurde, wenn das Essen auf dem Tisch stand, wenn es regnete, wenn die Sonne über die Felder schien. Alles wurde bedacht und gesegnet – und damit als förderlich für unseren Weg angesehen.
Der Segen entspringt einer tiefen Dankbarkeit für alles, was diese Welt für uns bereithält, von klarem Wasser und frischem Brot über Kinderlachen und Musik bis zu der Begegnung mit wilden Tieren und philosophischen Büchern… Und diese Dankbarkeit ist für mich die Wurzel meiner Spiritualität.
Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit dem Schirner-Verlag?
Jennie und ich suchten vor ein paar Jahren einen Verlag für unser Buch mit Meditationen für Kinder. Markus Schirner war dann sofort überzeugt von dem Projekt und zeigte sich auch ganz begeistert von Jennies Stimme und meiner Musik auf der dazugehörigen CD. Seine Begeisterung vermittelte uns ein wirklich gutes Gefühl, am richtigen Ort zu sein – und mittlerweile sind daraus ja einige Projekte entstanden, die vom Verlag und dem gesamten Team dort sehr unterstützt werden. Eine wirklich sehr angenehme Arbeitsatmosphäre, die sowohl Jennie als auch ich sehr wertschätzen.
Sie haben bereits mit zahlreichen Autoren zusammengearbeitet. Gab es ein besonderes Erlebnis, an das Sie sich gerne zurückerinnern?
Für mich waren vor allem die Autorentouren mit Philip Carr-Gomm und Seán sehr eindrücklich. Ich betrachte es wirklich als Geschenk, mit den beiden unterwegs gewesen zu sein, denn es gab auf diesen Touren auch immer wieder viel Raum für intensive Gespräche, aus denen ich sehr viel mitgenommen habe. Gleichzeitig hatten wir immer unglaublich viel Spaß und haben uns über völlig abstruse Situationen kaputtgelacht, die sich auf solchen Touren immer einstellen. Ich erinnere mich an vieles gern zurück, vor allem an die Offenheit beider Autoren gegenüber anderen spirituellen Richtungen, ihre Fähigkeit, sich ganz und gar auf ihren jeweiligen Gesprächspartner einzulassen und vor 150 Zuhörern genauso engagiert zu sein wie vor drei oder vier Besuchern.
Und natürlich waren auch meine Begegnungen mit Wolf-Dieter Storl bei zwei Buchprojekten und zwei DVDs, an denen wir gemeinsam gearbeitet haben, tolle Erfahrungen. Von diesen drei Autoren durfte ich eine Menge lernen, dafür bin ich sehr dankbar.
Sie lieben auch die Musik. Was gefällt Ihnen daran besonders gut?
Musik ist für mich eine weitere Ausdrucksform neben dem Schreiben. Manches, was mit Worten nur unzulänglich gesagt werden kann, ist besser in einer Melodie aufgehoben. Musik spricht auf ziemlich direktem Weg die Emotionen an und kann dadurch Menschen auf einer ganz anderen Ebene erreichen.
Ich mache ja hauptsächlich Trommelmusik, und hier ist es auch diese erdende Kraft eines tiefen Trommelschlags, der mich fasziniert. Das geht in den Bauch, in unser körperliches Zentrum, und verhindert, dass wir „abheben“. Oftmals fließt Musik scheinbar ganz von alleine, sie entsteht einfach, während man spielt. Das ist für mich eine Form von Meditation. Musik ist also sehr vielfältig – und eigentlich gefällt mir alles an ihr!
Wie lief die Zusammenarbeit mit Ihrer Frau an „Jedes Wort kann ein Segen sein“?
Jennie und ich haben ja schon an mehreren Buch- und CD-Projekten zusammengearbeitet und ergänzen uns dabei sehr gut. Wir sprechen miteinander über unsere Ideen, lesen gegenseitig unser Geschriebenes, erweitern es, hinterfragen es, führen einen Dialog über das jeweilige Thema. Dabei ist es immer von Vorteil, dass unser Hintergrund ganz verschieden ist und wir so ein Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten können, was verhindert, dass wir Dinge einseitig darstellen. Abgesehen davon macht es einfach Spaß, als Paar an solchen Projekten arbeiten zu können und sich gegenseitig „die Bälle zuzuspielen“…
Ihr nächstes Buch „Öffne deinen Heiligen Raum“ erscheint im März. Was dürfen Ihre Leser davon erwarten?
Das ist auch wieder ein Buch, das Jennie und ich zusammen geschrieben haben. Wir beschäftigen uns darin mit der Anrufung, die jede schamanische Arbeit einleitet. Diese Anrufung der Himmelsrichtungen, der damit verbundenen Tiergeister und Elemente nennt man „Den heiligen Raum öffnen“. Man stellt einerseits seinen Geist darauf ein, gleich schamanisch zu reisen, andererseits begrüßt man die Anderswelt und kündigt sich selbst und seine Absicht an. Wir sprechen von „deinem heiligen Raum“, weil wir die Leser dazu ermutigen möchten, diese Anrufung ganz persönlich zu formulieren und zu gestalten. Dafür findet man in diesem Büchlein viele praktische Übungen, die dabei helfen, dem eigenen Erleben und dem eigenen Bezug zu bestimmten Tieren oder Landschaften nachzuspüren und Ausdruck zu verleihen. Je persönlicher und authentischer wir diese Anrufungs-Zeremonie gestalten, desto leichter fällt uns das schamanische Reisen und desto klarer wird unsere Erfahrung in der Anderswelt.
Möchten Sie den Lesern noch etwas mitteilen?
Mich begleitet seit vielen Jahren ein bestimmtes Zitat, das ich mir immer wieder vor Augen führe und das ich gern mit Ihren Lesern teile. Ganz egal, welcher spirituellen Tradition wir folgen, diese Worte können meiner Ansicht nach sowohl einen sinnerfüllten Weg als auch ein sehr lohnenswertes Ziel beschreiben. Sie stammen vom großen amerikanischen Dichter Walt Whitman und lauten: „Mein Herz ist weit. In mir hat vieles Platz.“
Vielen Dank für das Interview.