Denkimpulse Interview

v.l.: Cordula Simon, Bettina Breckheimer und Vivian, die auf der LBM am Stand mithalf

Auf der Leipziger Buchmesse habe ich den Verlag Denkimpulse entdeckt, der sich mit seinen Märchenbüchern direkt in mein Herz geschlichen hat. Wie schön, dass die beiden Gründerinnen die Zeit fanden, ein paar Fragen für Lazy Literature zu beantworten. (Foto: Copyright Denkimpulse Verlag GbR)

Wie kamen Sie auf die Idee, einen Verlag mit dem Namen “Denkimpulse” zu gründen?

Bettina Breckheimer: Unter diesem Namen habe ich im Rahmen des Vereins zur Förderung der Sprachgestaltung 2005 schon eine Reihe von Zitatkarten herausgegeben. Die Zusammenstellung der Zitate entstand innerhalb einer Arbeitsgruppe zur sozialen Dreigliederung. In diesem Rahmen hatte ich auch ein kleines Heftchen in A7 mit diesen Zitaten erstellt, das „Denkimpulse“ heißt. Seit 2007 habe ich mit einer Kollegin hier auch einen Zitatkalender herausgegeben.

Cordula Simon: Auch Märchen regen zum Denken an – durch ihre Wahrbilder, die eine innerlich ordnende Kraft haben. Es lag daher auf der Hand, diesen Namen für den Verlag zu übernehmen.

Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Ihnen?

Simon: Wir sind beide Sprachgestalterinnen und Sprachtherapeutinnen; bei einem Gespräch im Frühjahr 2008 über den Internetauftritt des Seminars für Sprachgestaltung, mit dem wir betraut sind, kamen wir auf die Märchen der Brüder Grimm zu sprechen. Mit diesen Märchen arbeiten wir intensiv in der Sprachtherapie und erleben immer wieder ihre Kostbarkeit. Im Gespräch darüber entstand der Impuls, allen Menschen, auch außerhalb der Therapie, die Märchen vorzulesen. So begannen wir, uns die Märchen unter diesem Aspekt gründlich sprachlich und inhaltlich zu erarbeiten und haben seither immer wieder an verschiedenen Orten für Kinder und Erwachsene vorgelesen.

Breckheimer: Zudem hatten wir das Bedürfnis, den Märchen auch eine entsprechende äußere Gestalt zu geben, damit die Menschen sie im Originaltext mitnehmen können. So entstanden die kleinen Heftchen im Format des Denkimpulse-Heftchens.

Simon: Zuerst hatten wir 12 Märchen, die von den Sprachtherapeuten gerne gekauft wurden. Als wir 2010 das zweite Dutzend herausgeben und auch außerhalb des Vereins verkaufen wollten, entstand die Notwendigkeit, ein eigenes Unternehmen zu gründen. So weitete sich unsere Zusammenarbeit ins Wirtschaftliche aus.

Breckheimer: Produktion und Vertrieb der Zitatkarten und des Denkimpulse-Heftchens sowie des Kalenders haben wir dann auch in den Verlag übernommen.

Warum haben Sie die Grimm‘schen Märchen gewählt und gibt es Pläne auch die anderen großen Märchenerzähler in den Kanon aufzunehmen (z.B. Andersen oder Hauff)?

Simon: Die Märchen von Andersen z.B. sind erfundene moderne Geschichten. Die echten Märchen entspringen der uralten Volksweisheit, die vor Jahrhunderten noch die inneren Zusammenhänge bildhaft schauen konnte. Diese Wahrbilder wurden über Generationen mündlich überliefert. Im 19. Jahrhundert wurden in vielen Ländern Volksmärchen gesammelt und aufgeschrieben, als sie drohten, in Vergessenheit zu geraten.

Breckheimer: Das besondere an der Arbeit der Brüder Grimm ist, dass sie versucht haben, die Märchen von allem zu befreien, was im Laufe der Zeiten an Ausschmückungen dazu gewachsen war. Die Sprache ist so gefasst, dass sie dem Inhalt vollkommen entspricht.

Simon: Ob wir andere echte Volksmärchen, wie etwa die russischen, herausgeben werden, wird die Zukunft zeigen

Märchensammlungen gibt es ja viele. Was macht Ihre Ausgaben so besonders?

Simon: Natürlich können unsere Heftchen keine Gesamtausgabe ersetzen. Es gibt einige wenige Sammlungen, die den Originaltext letzter Hand und die Original-Kommentare enthalten, wie etwa die dreibändige Ausgabe von Reclam. Unsere Heftchen sind für die Menschen, die einzelne Märchen besonders schätzen: Jedes Märchen ist eine Kostbarkeit für sich, das wird bei unseren Heftchen bis in die äußere Gestalt wahrnehmbar.

Breckheimer: Auch kann ich ein oder mehrere Märchen nach Bedarf mitnehmen oder ich kann einem anderen ein bestimmtes Märchen schenken, von dem ich denke, dass er es gerade gut brauchen kann, etwa weil das Thema des Märchenbildes seinem aktuellen Lebensthema entspricht.

Sie bieten auch “Märchenarbeit für Erwachsene” an. Was darf man sich darunter vorstellen?

Simon: In dieser Märchenarbeit wird jeweils eines der Grimm‘schen Märchen sprachlich und inhaltlich gearbeitet. Dabei wird die besondere Sprache zum Erleben gebracht: Die Bilder können sich selbst aussprechen, und wir suchen gemeinsam, was an Weisheit in den Bildern lebt. Diese Arbeit an den Märchenbildern entspricht dem Bedürfnis des erwachsenen Menschen, Erlebnisse auch denkend zu erfassen. Das Kind hingegen lebt noch ganz in den Bildern, und ein bewusstes gedankliches Durchdringen entspricht noch nicht dem kindlichen Gemüt.

Breckheimer: Die erwachsenen Menschen können auch die seelischen Gesetzmäßigkeiten benennen, in denen die Moral enthalten ist. Der Furchtlose besteht die Prüfungen, die das Leben für ihn bereit hält, der Berechnende geht am Ende leer aus. Das Seeleninnere ist hier in Bildern ausgebreitet, und jeder Mensch kann alle Seelentätigkeiten und Haltungen in sich wiederfinden: z.B. den Geizigen, den Mitleidigen, den Berechnenden, den Selbstlosen und den Zerstörerischen – und er kann die Folgen ihrer Handlungen erkennen. Nur wenn ich aus dem selbstlosen Frommen nach den Notwendigkeiten der Welt heraus handle, können meine Taten Fruchtbares in der Welt bewirken.

Sie fertigen die Einzelausgaben per Hand an. Wie viel Arbeit fließt in jedes Büchlein, das Sie herausbringen?

Simon: Die Märchen, die wir als Heftchen herausgeben, kommen uns bei unserer Arbeit im Laufe der Jahre entgegen. Wenn sich wieder zwölf zusammengefunden haben, suchen wir für jedes ein passendes Umschlagmotiv aus dem reichhaltigen Musterangebot der Carta Varese. Für die zweisprachigen Ausgaben der Märchen erarbeiten wir eine möglichst getreue Übertragung aus dem Dialekt ins Hochdeutsche. Auch bei den englischen Ausgaben überarbeiten wir die uns vorliegende Übersetzung, um eine möglichst große Texttreue zu erreichen.

Breckheimer: Wenn es an die Produktion geht, arbeiten viele Menschen mit: Die Buchbinderin kaschiert die dünne Carta Varese, die Setzerin setzt die Texte, der Drucker druckt die Seiten und schneidet sie; dann nähe ich die Heftchen zusammen, knote und leime die Fädchen. Danach beschneidet die Buchbinderin die Heftchen vorne und oben, zuletzt klebe ich ein Schildchen auf, das ein auf Goldfoliendruck spezialisierter Drucker für uns hergestellt hat. Zudem kommen noch die vielen unbekannten Menschen hinzu, die durch Papier-, Tinten-, Faden- oder Leimherstellung usw. gewissermaßen die Vorarbeit für uns leisten.

2016 waren Sie das erste Mal auf der Leipziger Buchmesse mit einem Stand vertreten, den Sie durch Crowdfunding bezahlt haben. Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Erlebten mit und welche Auswirkungen haben sie auf Ihre Arbeit?

Breckheimer: Es war eine Freude, dass uns so viele Menschen auch finanziell unterstützt haben; ohne diese Hilfe wäre die Teilnahme an der Buchmesse viel schwieriger geworden.

Simon: Es war eine gute Erfahrung, dass die Märchen in diesem Gewand so vielen Menschen bekannt wurden und sich die Menschen sehr darüber gefreut haben. Auch die Zitatkarten wurden intensiv studiert, und wir haben vor, im kommenden Jahr wieder auf die Buchmesse zu gehen.

Breckheimer: Wir haben auch einige Anregungen für weitere Verlagserzeugnisse bekommen.

Welche weiteren Pläne haben Sie, um den Verlag und Ihre Arbeit bekannter zu machen?

Breckheimer: Wir werden weiter auf verschiedene Märkte gehen und Werbung in Zeitschriften machen.

Simon: Wir freuen uns über die Gelegenheit, in Ihrem Blog über unsere Arbeit erzählen zu können. Vielleicht wird darüber der eine oder andere auch auf die Märchen aufmerksam.

Danke für das Interview und alles Gute für die weitere Arbeit.