André WieslerAndré Wiesler hat sich auf den letzten beiden Booklover Conference-Veranstaltungen mit seinen Comedy-Programmen und Vorträgen in die Herzen der Teilnehmer geschlichen.Daher ist es umso schöner, dass er sich die Zeit genommen hat, ein paar Fragen zu beantworten. Für einen kleinen Einblick in seine Arbeit beim Poetry-Slam lohnt sich ein Besuch seines YouTube-Kanals. (Foto: Copyright Sonja Beck)

Du hast bereits als Teilnehmer bei diversen Poetry-Slam-Veranstaltungen auf Dich aufmerksam gemacht. Was dürfen sich die Leser darunter vorstellen, die nicht wissen, was das eigentlich ist?

Tatsächlich habe ich in letzter Zeit häufiger Slams organisiert, als selbst an anderen teilgenommen – die freien Abende sind leider rar gesät und da hat meine Familie einfach Vorrang. Ein Poetry-Slam ist ein Dichterwettstreit, bei dem verschiedene AutorInnen gegeneinander antreten und mit eigenen Texten das Publikum überzeugen müssen. Dabei gibt es ein Zeitlimit (meist 5 bis 7 Minuten) und es sind keine Requisiten erlaubt. An Texten ist dabei wirklich alles möglich, solange es aus der eigenen Feder stammt. Von lustig über kritisch bis zu lyrisch und absurd ist alles dabei.

Poetry-Slam, Komiker, Autor – welches ist Deine größte Leidenschaft oder wie ergänzen sich diese Seiten von Dir?

Das ergänzt sich alles hervorragend. Als Autor habe ich die Ruhe und Abgeschiedenheit, um längere Geschichten zu erzählen und komplexe Spannungsbögen zu errichten. Als Poetry-Slamer muss man schnell auf den Punkt kommen und pointiert schreiben. Außerdem muss man, wie es Neudeutsch so schön heißt, performen, und das macht mir einen Riesenspaß. Vor allem aber hat man hier, anders als bei einem Buch, unmittelbar ein Feedback. Wenn dem Publikum ein Text nicht gefällt, merkst du das sofort und kannst ihn für den nächsten Slam überarbeiten. Beim Roman erfährt man das erst Monate nach dem Schreiben. Die Comedy-Programme sind meine Egoshow. Hier habe ich einen ganzen Abend die Bühne für mich 😉

André Wiesler_02Wie fließt Deine Bühnenerfahrung als Slamer in Deine Bücher ein?

Nicht besonders. Wie erwähnt sind das zwei grundsätzlich unterschiedliche Bereiche der Literatur, die auch ihren eigenen Regeln und ihrem eigenen Schreibstil folgt. Über die Jahre habe ich interne Sprachregister entwickelt, zwischen denen ich hin- und herschalte. Von der Comedy zur Übersetzung, vom Pressetext zum Slamtext, vom Roman zum Essay. Diese Bereiche befruchten sich nur sehr begrenzt gegenseitig, aber natürlich lerne ich in jedem Bereich für sich stetig dazu (oder versuche es zumindest ;))

Hilft Dein Training auf der Bühne bei Lesungen? Und falls ja, wie?

Definitiv – wenn man sich erstmal vor 300 Leuten zum Affen gemacht hat, kann einen bei Lesungen nicht mehr viel schrecken. Mittlerweile versuche ich meine Lesungen auch immer aufzulockern. Ich glaube, von 60 Minuten Lesung lese ich tatsächlich nur 15-20 Minuten. Der Rest besteht aus Kommunikation mit dem Publikum, Anekdoten, Multimediaeinblendungen und ähnlichem. Ich finde, das Buch kann auch jeder selbst lesen, aber wie es dazu kam, was darin steckt und vor allem, wie der Autor so tickt, das ist es, was mich bei einer Lesung von KollegInnen interessiert und das versuche ich dem Publikum zu liefern.

Du machst auch Schreibseminare. Was dürfen sich die Teilnehmer davon erwarten und wie gehst Du dabei vor?

Das kommt immer sehr auf das jeweilige Seminar und seinen Schwerpunkt an. In meinem aktuellen Seminar, das im Dezember erneut als Wochenendseminar stattfindet, geht es darum: „Wie schreibe ich ein Buch?“ Es richtet sich also an Teilnehmer, die schon ein wenig Schreiberfahrung haben und jetzt Hilfe dabei suchen, ihr erstes Buch zu schreiben. Das ist natürlich ein weites Feld, von der Realität im Verlagswesen über Strukturierungshilfen und Schreibmechanismen bis hin zur Frage: Wie kriege ich so ein Monstrum mit 200, 300, 400 Seiten überhaupt jemals fertig? Dabei richte ich mich sehr stark nach den konkreten Fragen und Bedürfnissen der Teilnehmer. Im Wochenendseminar haben wir genug Zeit, um uns als Ziel zu setzen: Wenn ihr hier rausgeht, dann wisst ihr, was für ein Buch ihr schreiben wollt und wie die nächsten Schritte auf dem Weg dorthin aussehen.

Bist du eher ein Bücher-„Planer“ oder schreibst Du nach Inspiration und was Dich gerade beschäftigt?

Ich plane schon recht viel im Voraus. Meist gibt es, wenn ich an das eigentliche Schreiben gehen, etwas, das ich eine „Stepoutline“ nenne. Das sind 5-7 Seiten mit der Struktur des Romans, runtergebrochen auf Szenenbeschreibungen, in denen schon steht, wer in dieser Szene was macht und was durch die Szene erreicht werden soll. Dabei lasse ich mir aber auch genug Freiheiten, damit das Schreiben nicht langweilig wird. Ein Beispiel aus meinem aktuellen Roman: „Lager der Wilden: Man empfängt Krieger aus geplünderten Dörfern, die gegen die Eindringlinge vorgehen wollen. Die Schamanin trifft sich mit dem Assassinen der Geflügelten.“ Das sind die Eckpunkte – wie genau die Szene aussieht, entwickele ich dann beim Schreiben.

Inzwischen hast Du ja einige Kontakte zu anderen Autoren. Ergeben sich dabei Zusammenarbeiten und wenn ja, wie sehen die aus?

Konkrete Zusammenarbeiten abseits von Anthologien ergeben sich bei mir selten. Da bin ich vermutlich zu sehr der gnatzige Alleinschreiber im stillen Kämmerlein. Aber der Austausch, das Feedback, das gegenseitige Probelesen und nicht zuletzt eine gleichgesinnte Seele zu haben, bei der man auch mal jammern darf, ist wirklich Gold wert.

Bei Deiner Menge an Veröffentlichungen reiht sich ein Genre an das nächste. Hast Du ein Lieblingsgenre, zu dem Du immer wieder zurückkehrst?

Ich liebe das Phantastische in allen Variationen, egal ob Mystery, Science Fiction oder Fantasy. Ich glaube, ein zeitgenössischer Roman ohne phantastische Elemente fiele mir tatsächlich recht schwer. Aber man soll ja niemals nie sagen. 😉

Herzlichen Glückwunsch noch nachträglich zum Zweiten Platz auf der „Role Play Convention“ in der Kategorie Roman. Wie hast Du gefeiert?

Vielen Dank. Ich habe zusammen mit dem grandiosen Ulisses-Team ein ebenso grandioses Buffet geplündert und zugesehen, wie die anderen beim Anstoßen auf die vielen Preise, die wir auch dieses Jahr wieder feiern durften, langsam immer betrunkener wurden. Vielen Dank an dieser Stelle auch noch mal an alle, die für mich abgestimmt haben!

Gibt es etwas, das Du Deinen Lesern und möglichen zukünftigen Lesern mitteilen möchtest?

Lebt, lest und bleibt euch treu.

Vielen Dank für das Interview.