Kompakt

Die Umsetzung des Hörbuchs wird dem Text in jeder Hinsicht gerecht und ist eine kongeniale Schöpfung des Kuebler Verlags, der dafür eine Auszeichnung verdient. Text und Lesung gehen eine perfekte Symbiose ein, so dass dem Hörer ein wahres Meisterwerk bevorsteht.

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Mitchell_Der Wolkenatlas Originaltitel Cloud Atlas
Autor David Mitchell
Sprecher Johannes Steck, Carin C. Tietze und Stefan Wilkening
Übersetzung Volker Oldenburg
Verlag Kuebler Verlag
Erschienen Dezember 2012
ISBN 978-3-86346-065-5
Laufzeit 2 MP3s; 21 Stunden; ungekürzte Lesung

Inhalt

David Mitchell verbindet sechs unterschiedliche Geschichten durch wiederkehrende Symbole und die Folgen von Taten in der Vergangenheit miteinander. Daher mag die folgende Auflistung etwas wirr wirken, was beim Hören jedoch nie der Fall ist. Die Geschichten beginnen in der folgenden Reihenfolge:

Das Pazifiktagebuch von Adam Ewing (Südsee, um 1850): Adam Ewing schreibt in seinem Tagebuch über seine Reise in die Südsee, wo er auf Eingeborene trifft, sich mit dem Arzt Henry Goose anfreundet und zahlreiche Abenteuer erlebt.

Briefe aus Zedelghem (Belgien, 1931): Der britische Komponist Robert Frobisher muss vor seinen Gläubigern fliehen und sucht einen alten Komponisten namens Vyvyan Ayrs in Belgien auf. Von dort schreibt er seinem Freund Rufus Sixsmith, was er erlebt und wie sich seine Zusammenarbeit mit Ayrs entwickelt.

Halbwertszeiten – Luisa Reys erster Fall („BY“, USA, 70er Jahre): Die ehrgeizige Journalistin Luisa Rey trifft in einem fest sitzenden Fahrstuhl auf den gealterten Rufus Sixsmith, der als Atomphysiker in einer großen Anlage gearbeitet hat, bis er auf Probleme aufmerksam wurde. Nun ist er auf der Flucht und will ihr Unterlagen zukommen lassen, die beweisen könnten, dass die Anlage gefährdet ist.

Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish (England und Schottland, Gegenwart): Timothy Cavendish ist Verleger und hat durch Zufall einen Glückstreffer gelandet, der ihm Ruhm und Ehre brachte. Doch nach der Veröffentlichung des Buches sitzen ihm die Schlägerbrüder des Autors im Nacken, die ihren Anteil am Gewinn bekommen wollen. Hektisch flieht er auf Anraten seines Bruders nach Schottland, wo ihn ganz andere Probleme erwarten…

Sonmis Oratio (Korea, in ca. 100 Jahren): Die koreanische Duplikantin, ein Klon, Sonmi wird angeklagt, ein Mensch sein zu wollen. Vor ihrem Tod wird sie befragt und darf ihre Lebensgeschichte erzählen, die von Ungerechtigkeit, verstörenden Ritualen und festen Regeln handelt.

Sloosha’s Crossin‘ un wies weiterging (Hawaii, fernere Zukunft): Der Ziegenhirte Zachary erzählt ein paar Menschen, die er getroffen hat, wie er als jüngerer Mann aufwuchs und eine „Presciant“ namens Meronym kennen lernte, die einem weiter entwickelten Volk entstammt als er.

Nach Sloosha’s Crossin‘ dreht sich die Reihenfolge wieder um und endet erneut mit dem Tagebuch von Adam Ewing. Um die Spannung nicht vorwegzunehmen, wird hier nicht auf den späteren Inhalt eingegangen.

Stil

Die Erzählung von David Mitchell besticht durch sechs verschiedene Geschichten, die auf raffinierte Weise miteinander verbunden sind. Die Verbindungen zu finden, bleibt dem Hörer überlassen, der nach dem Ende gerne noch einmal die ersten Teile anhören möchte, um sämtliche Versatzstücke zu finden.

Dabei machen die drei Sprecher ihre Arbeit so außergewöhnlich gut, dass man sofort in den jeweiligen Handlungen steckt.

Das „Pazifiktagebuch von Adam Ewing“ – im Grunde ein Abenteuerroman – wird von Johannes Steck gesprochen, dessen angenehme Stimme den Hörer von Beginn an packt. Die jeweiligen Dialekte und verschiedenen Figuren erhalten unterschiedliche Betonungen und Sprachfärbungen, wodurch eine Unterscheidung sehr leicht fällt und das Zuhören ein wahrer Genuss ist.

Diese Fähigkeit macht sich auch in der zweiten Handlung, bei den „Briefen aus Zedelghem“, bemerkbar, bei dem es sich um eine Art Historienstück mit dramatischen Szenen und einem herrlich schwarzen Humor handelt, denn Frobisher nimmt kein Blatt vor den Mund, was die Zustände im Hause Ayrs betrifft. Steck verleiht Ayrs eine krächzende, einprägsame Stimme, während Frobisher sich durch einen leicht herablassenden und schnoddrigen Tonfall auszeichnet. Die weiblichen Figuren werden auffallend sanft gelesen, was aber durch die Form des Briefs, den Frobisher schreibt, abgemildert wird. Die Mischung aus Tragik und Humor fesselt sofort an die Geschichte. Auffallend sind auch die vielen musikalischen Vergleiche, die sich durch den Briefschreiber Frobisher in die Handlung einschleichen. Damit verleiht Mitchell (und dadurch auch Steck) Frobisher eine einzigartige Stimme.

„Halbwertszeiten“ wird ebenfalls von Steck gelesen, wodurch der Hörer ein weiteres Mal in den Genuss seines Könnens kommt. Die kurzen Kapitel werden aus der Sicht von verschiedenen Personen dargestellt, wodurch der Hörer wie bei einem Thriller mitfiebert, ob Luisa und Sixsmith die zurückgehaltenen Informationen des großen Konzerns an die Öffentlichkeit werden bringen können.

„Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish“ übernimmt Stefan Wilkening, der das Schelmenstück um Timothy Cavendish wunderbar umsetzt. Die Abenteuer des alten Herrn ziehen sich etwas hin, da er gerne in Erinnerungen schwelgt, werden aber durch amüsante Stücke aufgelockert, was auch an Wilkenings herrlich trockener Umsetzung von Cavendishs britisch-vornehmer Ausdrucksweise liegt. Anspielungen auf aktuelle Romane und Filme zeigen das enorme und breite Wissen von Cavendish.

Carin C. Tietze verleiht in „Sonmis Oratio“ Sonmi ihre Stimme und gibt ihr in dem Dialog mit ihrem Archivar den ruhigen Klang einer Frau, die sich mit ihrem Schicksal abgefunden hat. Gelassen, dabei aber mit genug Nachdruck, um der Geschichte zu Spannung zu verhelfen, schildert sie Sonmis Leben und Abenteuer, die in Form eines Science-Fiction-Romans erfolgen. Hier ist auch wieder zu vermerken, dass es mehrere Besonderheiten in der Sprache gibt, da Worte wie „extrem“ als „xtrem“ ausgesprochen werden. Manche Rituale und Regeln erhalten mit der Zeit ihren Sinn, da sich der Hörer in der neuen Zeit zurechtfinden muss, was Mitchell aber sehr gut gelungen ist, denn durch die abgeschirmte und in einer eingeschränkten Umgebung aufgewachsene Sonmi lernt der Hörer gleichzeitig mit ihr neue Verhaltensweisen und Personen kennen.

„Sloosha’s Crossin‘ un wies weiterging“ schließlich wird wieder von Johannes Steck gesprochen, der die sprachlichen Besonderheiten von Zachary, der Wortendungen verschluckt und Verballhornungen benutzt, die sich dem Hörer erschließen, wenn man der Handlung aufmerksam folgt, perfekt umsetzt. Es muss eine enorme Herausforderung gewesen sein, diese Passage zu lesen, die sich als Mischung von Abenteuer und dystopischer Science-Fiction entpuppt. Für den Hörer ergibt sich jedoch eine gelungene Umsetzung, die den Höhepunkt des Hörbuchs bildet, bevor die Sprecher wieder in umgekehrter Reihenfolge den restlichen Teilen zugeordnet werden können.

Das Hörbuch erfordert Konzentration, aber es unterhält auch auf grandiose Weise. David Mitchell ist damit ein Kunstwerk gelungen, das in sich schlüssig und stimmig ist. Jeder einzelne Charakter hat seine eigene Stimme, die durch die Hörbuchumsetzung kongenial in Szene gesetzt wurde.

Aufmachung

Die MP3-Version des Hörbuchs wird in einer DVD-Hülle geliefert, die das Filmplakat als Cover besitzt. Dieses befindet sich auch auf den zwei enthaltenen CDs. Ein Booklet hilft beim Einstieg und listet die einzelnen Teile und jeweiligen Sprecher. Das Inhaltsverzeichnis und eine Vita des Autors befindet sich auf der Rückseite der Hülle, auf der auch Fotos der Sprecher abgebildet sind.

Ähnliche Titel

Der Wolkenatlas (Roman; Film); „Die tausend Herbste des Jacob de Zoet“ von David Mitchell; „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann (Roman; Film); „Schiffbruch mit Tiger“ von Yann Martel (Roman; Film)

Herzlichen Dank an den Kuebler Hörbuch-Verlag für das Rezensionsexemplar.

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