David Füleki und Martin Geier haben sich einen Namen als deutsche Manga-Zeichner gemacht. Auf der Leipziger Buchmesse ergab sich die Gelegenheit, beide Zeichner auf einmal zu erwischen, was natürlich in einem etwas chaotischen Interview endete, bei dem es viel zu Lachen gab.
Sehr blutig, sehr philosophisch und psychologisch – so präsentieren sich die Manga von Dir, David…
David Füleki: Ja, demnächst liefere ich noch den Rotstift mit dazu, damit die Leser die blutigen Stellen selbst ausmalen können.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, den Struwwelpeter neu zu interpretieren?
David Füleki: Das musste ich.
Kindheitstrauma?
David Füleki: (lacht) Nicht ganz. Ich hatte damals Yuki Kowalsky als Redakteurin, und wir haben diskutiert, was für ein Projekt wir als nächstes umsetzen. „Grimms Manga“ war ein großer Erfolg, und es wurde angefragt, welche deutschen Klassiker wir nutzen könnten. Schillers „Glocke“ bot sich an, aber das war nicht gerade interessant für unser Zielpublikum.
Das stimmt, denn die wenigsten Mangafans können das Gedicht auswendig vortragen. „Faust“ wäre noch eine Möglichkeit gewesen, aber davon gibt es schon unzählige Umsetzungen oder?
David Füleki: „Faust“ war tatsächlich im Gespräch und meine erste Wahl. Dann gab es noch Max und Moritz, die aber ein Jahr zuvor Jubiläum hatten, womit wir den Anschluss verpasst hatten und nicht aktuell gewesen wären. Die „Nibelungensage“ hatte ich mir schon ziemlich gut im Kopf ausgemalt, aber das wurde abgelehnt, weil es zu ernst war und man lieber etwas mit Gags von mir haben wollte. Ohne Witz sei zu untypisch für mich.
Dann blieb also nur der Struwwelpeter, den ich im Wikipedia als bekannte deutsche Literatur gefunden hatte. Ich habe im Spaß an Yuki geschrieben: „Da gäbe es noch den Struwwelpeter.“ Und alle waren sofort begeistert. Ich hatte wirklich keinen Schimmer, was ich da eigentlich umsetzen wollte, und habe mich Monate lang hingesetzt und an dem Skript gefeilt. Yuki hat sich das alles angesehen und sämtliche Leichen rausgestrichen – davon hatte ich mehrere Hundert im ersten Entwurf. In der aktuellen Version fallen ja alle ins Koma, zuvor sind sie alle gestorben.
Ich bin schlussendlich auch sehr zufrieden, wenn ich an das „Krea-Tief“ zurückdenke, das ich am Anfang hatte. Beim Zeichnen kommen die richtig guten Ideen, da ich eher ein spontaner Mensch bin.
Bei Dir geht es in Deinem „Nightmare Hunter Nemo“ in eine ganz andere Richtung mit der griechischen Mythologie, Martin.
Martin Geier: Das war eine Hintergrundgeschichte, die als Erklärung zum ganzen Spaß kommen musste. Der Grundgedanke war „Little Nemo in Slumberland“. Die Frage war, wie man eine coole Welt hinbekommt, ohne dass man viel erklären muss. Träumen und Schlafwandeln kam durch „Little Nemo“ zustande. Durch Morpheus ging es über in die griechische Mythologie.
Die Inspiration kam aber auch durch Dragonball, wenn man sich die Zeichnungen genauer ansieht, stimmt’s?
Martin Geier: Neiiiin, gar nicht. (lacht) Ein Manga für Jungs, und Dragonball dient dabei als Inspirationsquelle? Das ist viel zu weit hergeholt!
Stimmt, wie konnte ich das nur fragen.
Wie kam es bei Euch zur Zusammenarbeit mit Tokyopop?
Martin Geier: Da muss David zuerst ran, weil es bei ihm schon länger her ist.
David Füleki: Ich kannte Joachim Kaps von seiner Carlsen-Zeit und hatte immer als Ziel, ihn mit meiner Arbeit zu überzeugen. Als kleiner Kerl habe ich meine schlechten Zeichnungen an ihn geschickt – die erste Post hat damals sogar noch meine Mutter geschickt, weshalb ich immer mit ihm bzw. seiner damaligen Redaktion in Kontakt war. Dadurch muss er sich meinen komischen Nachnamen gemerkt haben. Und irgendwann mal sagte Herr Kaps bei einer Mappensichtung, er könne sich an mich erinnern. Wir hatten ein äußerst seltsames und langes Gespräch über einen Rucksack, und danach sagte er, ich solle ihm ein Konzept für eine Kurzgeschichte schicken. Das war kurz, nachdem sich Tokyopop in Deutschland etabliert hatte. 2004 wurde Tokyopop gegründet, 2005 hatten sie einen kleinen Stand in Leipzig und da fiel ich ins Raster durch „Manga Fieber 2“. Ich zeichnete jahrelang für Tokyopop im stillen Kämmerlein vor mich hin, aber erst 2009 kam nach dem 2006er „Manga Fieber“ mein „Struwwelpeter“ heraus. Mittlerweile habe ich wohl einen Stein im Brett. Aber wer möchte nicht gerne für Herrn Kaps arbeiten?
Martin Geier: Bei mir fängt die Geschichte weniger in der Ursuppe der Zeit an. Ich bin über die Independent-Bereiche zur Truppe um David gekommen, und nach 3-4 Jahren hat er mir dann die Ohren vollgebrüllt, ich sollte mir einen Verlag suchen.
Dann kennt Ihr Euch schon länger?
David Füleki: Wir sind seit ungefähr 2009 oder 2010 befreundet. Damals gab es ein großes Independent-Projekt, das sich als Gegenentwurf zur „Banzai“ verstand, dem Magazin, in dem verschiedene Manga kapitelweise veröffentlicht wurden. Es sollte ein Ergänzungsprodukt mit dem Namen „Shounen Go! Go!“ werden, das nur von deutschen Zeichnern bestritten wurde. Es war ein ziemlicher Flop.
Martin Geier: Wir haben uns eigentlich nur gegenseitig die Bände abgekauft.
David Füleki: Wir waren nicht schlecht, hatten aber keine richtige Zielgruppe. Martin war bei der zweiten Ausgabe dabei, und ich habe schon in der dritten Ausgabe – ein halbes Jahr danach – festgestellt, dass er einen solchen Quantensprung in seiner Technik hingelegt hat, dass ich wusste, dass er veröffentlicht werden muss.
Martin Geier: David hat einige Treffen arrangiert, ohne dass ich davon wusste. Ich wurde mitgeschleppt und konnte gar nicht anders.
David Füleki: Wir mussten die Zeit nutzen. Mit meinen Mitte/Ende 20 bin ich schon ziemlich am Ende meiner Haltbarkeitsphase als Manga-Künstler. Als Comiczeichner hat man ein längeres „Haltbarkeitsdatum“, wie man an den französischen oder amerikanischen Zeichnern sehen kann.
Dann ging es mit den Independent-Veröffentlichungen los?
MG: Ja, ich habe ein Jahr, nachdem ich über David den Kontakt zu Joachim Kaps bekommen habe, den Manga-Talente Preis erhalten, während aber parallel schon „Nemo“ im Entstehen begriffen war. Das war im Grunde die Kirsche auf der Sahnehaube. Mein Weg wurde mir aber auf jeden Fall von David breitgetreten.
David Füleki: Martin war einer der letzten, von denen ich sagen kann, dass er bei einem großen Verlag untergekommen ist. Bei einigen Zeichnern, deren Arbeiten früh erschienen sind, habe ich das Gefühl, dass sie durch die frühe Vermarktung eher abgeschreckt wurden. Martin kann seine Erfahrungen auch reflektieren – eventuell auch wegen seines Studiums.
Was hast Du studiert?
Martin Geier: Ich studiere noch Kommunikationsdesign und mache gerade meine Abschlussarbeit zum Bachelor.
David Füleki: Ich arbeite neben Tokyopop, für die ich eher wellenförmig arbeite, auch für andere Verlage. Meine eigene Masterarbeit im Bereich Medienkommunikation ist inzwischen fertig und abgeben. Das Thema ist „Fandom und Popkultur“. Bei Buchmessen befragte ich beispielsweise andere Besucher, so dass ich meine Besuche damit verbinden konnte.
Wie gesagt, man merkt, wenn jemand vom Zeichnen Ahnung hat – also Gestaltungsgesetze, etc. kennt. In unserem Verlag Delfinium Prints merkt man bei Mappensichtungen, dass einer beispielsweise gut zeichnen kann, aber diverse Gestaltungsgesetze außer Acht lässt.
Bei Dir, Martin, ist der Grund für Deine Anwesenheit bei der Buchmesse die Signierstunde heute?
Martin Geier: Es ist ein kleines Heimspiel, weil ich die letzten fünf Jahre als Fan hier war – es ist schön, mal auf der anderen Seite zu sitzen und Besuch von den eigenen Fans zu erhalten.
Habt Ihr schon mal drüber nachgedacht, ein Projekt zu zweit aufzuziehen?
David Füleki: Oh, ja.
Martin Geier: Könnten wir mal machen.
David Füleki: Wir haben schon zwei, drei Projekte zusammen gemacht, wo ich mir Charaktere von ihm genommen und sie in meine Handlungen eingebaut habe. Er hat das auch schon mal gemacht. Toll wäre natürlich, wenn wir unsere Tokyopop-Manga in einem Crossover aufeinander treffen lassen könnten – Nemo trifft Entoman oder ähnliches. Wir machen auch gerne Signierstunden zusammen.
Letztes Jahr hatten wir im Raum Frankfurt zwei Läden, in denen wir gemeinsam Signierstunden abgehalten haben. Da kommt ein gewisser Synergieeffekt zum Tragen, da unsere Zielgruppen ähnlich sind. Unsere Inhalte sind ähnlich, und wir schanzen uns gegenseitig Leute zu.
Martin Geier: Wir sitzen dann nebeneinander, womit es leichter ist, Kontakte zu knüpfen.
David Füleki: Genau. Ich träume ja immer noch vom großen deutschen Comicuniversum wie bei Marvel oder dem „Dunklen Turm“ von Stephen King.
Die deutsche Comic- oder Mangaszene sieht ja momentan ein wenig düster aus, was neue Veröffentlichungen anbetrifft. Könnt Ihr das unterschreiben?
Martin Geier: Die Auswahl ist strenger. Inzwischen wird nicht mehr blind zugegriffen, sondern jetzt wissen die Leser genau, was sie wollen, und greifen gezielter zu.
David Füleki: Wer damals beim ersten Mangaboom veröffentlicht wurde, hatte ein Publikum, das alles kaufte. Inzwischen ist das ein alter Hut. Man kennt eine Handvoll guter deutscher Zeichner, und die Verlage reagieren ganz vernünftig darauf, nicht jeden zu veröffentlichen, sondern nur die, die wirklich hartnäckig dran bleiben. Denn Mangas oder Comics zu zeichnen ist harte Arbeit.
Bei der Signierstunde letztes Jahr in Frankfurt war der Termin auf ein paar Stunden angesetzt und es gab einen stetigen Fluss von Leuten. Aber es war interessant zu sehen, dass unsere Besucher 20 Jahre und älter waren. Das waren keine Mangaleser, sondern Comicleser, die sich darüber gefreut haben, dass es deutsche Zeichner gibt, die hier signieren.
Was möchtet Ihr Euren Fans noch mitteilen?
David Füleki: Liebe (eventuell baldige?) Leser. Esst bitte mehr Fleisch. Bei mir im Dorf auf den Wiesen ist alles voller Viecher – geht gar nich‘!
Vielen Dank für das Interview.