Kompakt:

Ein Sammelsurium historischer Kriminalfälle – vom 13. bis ins 20. Jahrhundert –, das durch seine schöne Gestaltung und verständliche Erzählweise über die damalige Rechtsprechung informiert und einen umfassenden Blick auf die sozialen Konstruktionen der dörflichen Gesellschaft wirft.

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Gisbert Strotdrees – Tatort Dorf
Autor Gisbert Strotdrees
Herausgeber Wochenblatt Lippe-Westfalen
Verlag Landwirtschaftsverlag Münster
Erschienen Mai 2014
ISBN 978-3-7843-5324-1
Seitenanzahl 180 Seiten

Inhalt

In 27 Kapiteln liefert der Historiker und Redakteur beim Landwirtschaftlichen Wochenblatt Westfalen-Lippe Gisbert Strotdrees ein Panorama der dörflichen Gesellschaft aus sieben Jahrhunderten. Die historischen Kriminalfälle treffen dabei auf spannende Erläuterungen zur alltäglichen Rechtspraxis, die mit zahlreichen Abbildungen treffend ergänzt werden. Die Kapitel sind chronologisch von 1225 bis 1966 gegliedert und können auch unabhängig voneinander gelesen werden.

Stil und Verständnis

Historische Kriminalfälle – unabhängig davon ob sie sich am Land oder in der Stadt ereignet haben – schildern nicht nur reale Verbrechen aus der Vergangenheit, sondern erlauben auch einen Blick auf die Gesellschaft, in deren Rechtsbereich sich die Tat ereignet hat.

In seinem Vorwort stellt der Autor zwei mögliche Arbeitstechniken zur Erzählung von Kriminalfällen vor. Wenn man es mit Schiller hält, der 1792 ebenfalls eine solche Sammlung herausbrachte, dann stehen hierbei der Täter, das Opfer und ihre Verbindung zueinander im Vordergrund. Der Jurist und Justizminister der Weimarer Republik Gustav Radebruch betrachtet Verbrechen hingegen aus einer Metaebene: Nicht die Einzelperson zählt, sondern die Gesellschaft, in der sich die Tat ereignet.

Gisbert Strotdrees verknüpft nun beide Sichtweisen: Er beschreibt nicht nur Kriminalfälle, die sich – wie der Titel des Buches schon sagt – auf dem Dorf ereignet haben, sondern rundet diese mit Erläuterungen zur historischen Rechtspraxis ab. Die zahlreichen Abbildungen und die lockere Sprache machen das Buch zu einem unterhaltsamen und informativen Nachschlagewerk, das ‚Laien’ wie Historiker erfreuen wird. Trotz vieler Fakten wirkt der Schreibstil an keiner Stelle trocken, dazu tragen sicherlich auch die Kürze der Kapitel und die ansprechende graphische Gestaltung das Ihre bei.

Einer der bekanntesten Kriminalfälle, die Strotdrees schildert, hat sich 1783 in Ovenhausen ereignet, wo der Kaufmann Soistmann Berend erschlagen wurde. Inspiriert davon verfasste Annette von Droste-Hülshoff, eine über Ecken Verwandte des mit dem Fall betrauten Gerichtsherren, ihren Roman „Die Judenbuche“. Oder wussten Sie, dass der Sachsenspiegel, eine Rechtssammlung, die 1220-1235 entstand, in Anhalt und Thüringen sogar noch bis 1900 verbindlich war?

In 27 Kapiteln und knapp 200 Seiten einen Zeitraum von 1225 bis 1966 abzudecken, ist eine Leistung – und erhebt natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder „die“ Abbildung der dörflichen Gesellschaft. Dennoch zeigt Strotdrees deutlich, dass eine Straftat nicht immer rein persönlichen Motiven entspringt, sondern oftmals durch die gesellschaftliche Ausgangslange bedingt wird und sich eine Fehde über Generationen ziehen kann. ‚Böses Blut’ gibt es bei Adeligen wie Armen und die Motive sind ähnlich: Missgunst, Neid, Verzweiflung – mit einer oftmals gewaltigen Wirkung.

Manchmal blieb es jedoch beim Wort – und selbst das konnte eine treffsichere Tatwaffe sein –, begleitet von Gesten wie dem Anheben des Rockes und der Entblößung des Hinterteils. Etwas, das man sich heute gar nicht mehr im Alltag vorstellen kann, das aber wohl den gleichen beleidigenden Effekt hätte …

Sie sehen also, man lernt als Leser so einiges bei der Lektüre von „Tatort Dorf“. Wer neugierig geworden ist und mehr zum „Tatort Dorf“ erfahren möchte, kann sein Wissen auf der gleichnamigen Homepage vertiefen. Diese enthält noch zahlreiche andere Kriminalfälle, die während eines Schreibseminars unter Leitung des Autors, gemeinsam mit Prof. Dr. Werner Freitag, auf der Universität Münster entstanden sind.

Aufmachung

Das Hardcover besitzt eine handliche Größe – etwas kleiner als A4 – und ist in schlichtem Schwarz gehalten. Die Überschrift und die dörfliche Skyline sind auf dem Cover mit Spotlack hervorgehoben, auf der Rückseite befindet sich der übliche Klappentext.

Nach einem kurzen Vorwort gibt es 27 chronologisch gereihte Kapitel, die mit einem Quellen-, Literatur- und Bildnachweis enden. Die Kapitel besitzen eine Überschrift sowie einen Untertitel, der sie genau zeitlich und räumlich verortet, sodass Nachschlagen unkompliziert möglich ist.

Ähnliche Titel

„Hohe Morde – Historische Kriminalfälle aus dem Vinschgau“ (Henner Kotte – Sachbuch); „Rheinische Unterwelt – Historische Kriminalfälle im Rheinland von 1815-1918“ (Udo Bürger – Sachbuch); „Fränkische Verbrecher – Die spannendsten Kriminalfälle 1330-1975“ (Benedikt Grimmler – Sachbuch)

Herzlichen Dank an den Landwirtschaftsverlag Münster für das Rezensionsexemplar.