Kompakt

Das magische Shimokitazawa entführt Yotchan auf eine Reise zu sich selbst, begleitet von gutem Essen und – wie könnte es anders sein – einer bittersüßen Liebesgeschichte …

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Banana Yoshimoto – Moshi Moshi Originaltitel Moshi-moshi Shimokitazawa
Autor Banana Yoshimoto
Übersetzung Matthias Pfeifer
Verlag Diogenes
Erschienen März 2015
ISBN 978-3-257-06931-0
Seitenanzahl 304 Seiten

Inhalt

Ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters beschließt Yoshie, liebevoll auch Yotchan genannt, aus der gemeinsamen Wohnung in Meguro auszuziehen. Ihr Wunschbezirk ist Shimokitazawa, das sie im Film „Summendes Shimokitazawa“ lieben gelernt hat und von dem sie sich eine hoffnungsvollere Zukunft erhofft. Nun jobbt Yoshie in einem kleinen Bistro gegenüber ihrer ersten eigenen vier Wände – bis plötzlich ihre Mutter bei ihr auftaucht. Diese wünscht sich, für kurze Zeit in der zwei Tatamimatten großen Wohnung einzuziehen, um dem Geist ihres toten Ehemanns zu entkommen … Und dann ist da noch Aratani, ein Bekannter ihres Vaters, der immer wieder für ein Abendessen in Yoshies Bistro vorbeischaut.

Stil

Dreh- und Angelpunkt für Banana Yoshimotos Geschichte ist der Tokioter Bezirk Shimokitazawa, der auf die Protagonistin Yoshie eine beinahe magische Wirkung ausübt. Grund dafür ist ein Zitat aus dem Film „Summendes Shimokitazawa“: „In dem kunterbunten Durcheinander dieses Viertels, dem man sich einfach so hingibt, ist bisweilen eine Anmut spürbar, die vergleichbar ist mit dem Schönen in dem eigentlich ungeordneten, hässlichen Wesen der Menschen. Man stelle sich Vögel vor, die an Blumen zupfen, oder Katzen, die elegant aus einer Höhe herunterspringen. Etwas Neues beginnt immer als etwas Trübes, doch schon bald wird daraus ein klarer Bach, der in natürlicher Bewegung still dahinfließt.“ (S. 5-6)

Gerade der letzte Satz spiegelt die Ausgangssituation von Yoshie und ihrer Mutter genau wider: Beide leiden unter dem plötzlichen Tod ihres Vaters bzw. Ehemannes, der mit einer fremden Frau vermeintlich Selbstmord begangen hat. Ihr Leben wird dadurch umgeworfen, denn beide möchten aus ihren festgefahrenen Rollen ausbrechen. Nicht mehr Tochter oder Ehefrau sein, sondern entdecken, was noch in einem steckt.

Diese Wünsche schreibt Banana Yoshimoto aus der Ich-Perspektive Yoshies nieder. Oftmals flicht ihr Protagonistin Erinnerungen aus der Zeit vor Shimokitazawa ein: Momente der Kindheit oder der gemeinsamen Trauer mit ihrer Mutter. Dennoch findet sich der Leser immer gut zurecht, da Yoshie nicht ausschweifend erzählt und immer beide Füße auf dem Boden behält. Das einzige, was sie zum Schwärmen bringt, ist das Essen. Die Themen Küche und Kochen spielten bereits in Yoshimotos erstem Roman „Kitchen“ eine wichtige Rolle. Diesen schrieb sie während ihrer Studienzeit, wo sie als Kellnerin jobbte, und er wurde so erfolgreich, dass es sogar eine Verfilmung davon gibt.

In „Moshi Moshi“ ist Essen ein Weg, um der Trauer zu entfliehen: Splittereis mit Sirup hilft Mutter und Tochter, aus dem Haus zu kommen und ihren Erinnerungen an den toten Vater eine Auszeit zu gönnen. Bezeichnend ist, dass sie diese Ausflüge in eben jenes Bistro unternehmen, das später Yoshies Arbeitsplatz wird. Michiyo, die Chefin, lehrt sie, mit Leidenschaft zu kochen. Und ihre Mutter, die frühere Hausfrau, fängt sogar an, in einem Teehaus zu arbeiten. Die Lust am Kulinarischen zeigt sich auch an Yoshies Freude am Appetit ihrer Gäste. Die Angewohnheit, deren Essverhalten fasziniert zu beobachten, macht sie in meinen Augen besonders liebenswürdig. Derjenige, dessen Essensstil sie ungemein elegant findet, ist Aratani.

Der junge Clubbesitzer, in dessen Etablissement Yoshies Vater oftmals auftrat, ist von der Nachwuchsköchin angetan – genauso wie sie von ihm. Ihre Liebe und ihre Begegnungen verbleiben unschuldig, entladen sich in vertrauten Gesten und Gesprächen über ihre Sehnsüchte. Diese Unbeschwertheit bietet einen willkommenen Kontrast zum tragischen Tod des Vaters, dessen Affäre von Mutter wie Tochter schwer verkraftet wird. Im Lauf der Lektüre offenbaren sich immer mehr pikante Details, die ausgerechnet Aratani Yoshie offenbart.

„Moshi Moshi“ ist eine ruhige ‚Slice of life‘-Geschichte, deren Alltag bereits genug Dramatik offenbart. Ihre Stärke liegt in den Protagonisten und dem Bezirk Shimokitazawa, dessen Zauber auch über die Seiten hinaus spürbar ist. Wer Angst davor hat, ein japanisches Buch zu beginnen, den kann ich beruhigen: Die wenigen japanischen Begriffe die vorkommen, sind mit einem Asterisk versehen und am unteren Ende der jeweiligen Seite übersetzt. „Moshi“ heißt auf Japanisch übrigens „Hallo“.

Und wenn Sie sogar neugierig  geworden sind, können Sie Banana Yoshimoto im Rahmen des „internationalen literaturfestivals berlin“ kennenlernen! Am 15. September gibt es auf der Großen Bühne im Haus der Berliner Festspiele (Schaperstr. 24, 10719 Berlin) eine Lesung. Startpunkt ist 18 Uhr, die Moderation übernimmt Knut Elstermann.

Aufmachung

Das rote, stoffgebundene Hardcover besitzt den Diogenes-typischen Schutzumschlag. Dieser liefert auf der Vorderseite ein japanisches Mädchen und auf der Rückseite eine Kurzvita samt Inhaltsangabe. Auf der vorderen Klappe befindet sich eine weitere Inhaltsangabe, auf der hinteren stehen Literaturtipps aus dem Verlag.

Ähnliche Titel

„Kitchen“ (Banana Yoshimoto – Roman); „Herr Nakano und die Frauen“ (Hiromi Kawakami – Roman); „Bittersüße Schokolade“ (Laura Esquivel – Roman)

Herzlichen Dank an Diogenes für das Rezensionsexemplar.

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