Kompakt

Die Geschichte von Jesus aus Judas‘ Sicht darzustellen mag nicht neu sein, fesselt aber nach wie vor und verleiht dem Leser einen frischen Einblick, der ihn herausfordert und Fragen aufwirft. Kalt lassen wird der Inhalt in jedem Fall niemanden.

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Originaltitel My name was Judas
Autor C.K. Stead
Übersetzung Edith Beleites
Verlag Eichborn
Erschienen September 2012
ISBN 978-3-8479-0509-7
Seitenanzahl 238 Seiten

Inhalt

Judas Iskariot, nun als 70jähriger Mann bekannt als Idas von Sidon, berichtet von seinem Leben, der Begegnung mit Jesus und den Erlebnissen, die sich in dieser schicksalsträchtigen Zeit ereigneten. Schonungslos und offen erzählt er von seinen Zweifeln, seinen Versuchen, Jesus zu retten, und von Jesu letzten Stunden, die er in seiner Nähe verbrachte.

Stil und Charaktere

Die Geschichte wurde aus Judas‘ Sicht und somit in Form eines Ich-Erzählers geschrieben. Einleitend führt Judas sein derzeitiges Leben etwas aus, erzählt von seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln und dass er inzwischen als Dichter bekannt ist. Dies zeigt sich am Ende jedes Kapitels, die mit einigen Absätzen moderner Lyrik abschließen, die sich nicht reimen, aber in sehr bildhafter und ansprechender Sprache verfasst sind.

Kurz darauf begibt sich die Handlung in die Zeit, in der Judas Jesus trifft und ihm als Begleiter und Freund zur Seite steht. Fassungslos beobachtet er die Veränderung des Mannes, den er seit der Jugend kennt: „Es lag etwas Anmaßendes, Selbstzufriedenes in seiner Antwort, ein Ton, der später sowohl die römischen Machthaber als auch die jüdische Priesterschaft gegen ihn aufbringen sollte. In jenen frühen Tagen aber hatten seine Äußerungen stets etwas Humorvolles, einen Hauch Selbstironie.“ (S. 17)

Judas‘ hervorgehobene Stellung, die es ihm erlaubt, Jesus zu kritisieren und zu hinterfragen, schafft ihm einige Neider unter den Jüngern. Durch geschicktes Einflechten von Ausblicken auf zukünftige Ereignisse und Rückblicke auf Vergangenes gelingt es C.K. Stead, die Handlung voranzutreiben und zugleich den wirklich faszinierenden Intellekt zweier großer Männer zu zeigen, die sich Streitgespräche der besonderen Art liefern. Unter anderem wird die besondere Beziehung zwischen Jesus und Judas hier deutlich: „Sein Lächeln war unwiderstehlich. (…) Es signalisierte eine Begegnung auf Augenhöhe, die Einmütigkeit zweier überlegener Persönlichkeiten, welche die Dinge nicht zu ernst nahmen. Als wollte er sagen: Komm schon, Judas! Du bist doch der Einzige mit Übersicht. Du weißt, wie wir diese Partie spielen müssen, wenn wir gewinnen wollen.“ (S. 23)

Jesus selbst erhält einen eher negativen Anstrich, da er arrogant, von sich eingenommen und narzisstisch wirkt. Das Ausspielen seiner Jünger gegeneinander macht ihn ebenso unsympathisch wie seine diffusen Wutattacken, die seinen Charakter in einem komplett neuen Licht zeichnen. Auch die Jünger und die Figur der Maria Magdalena werden ausgearbeitet und so dargestellt, dass sie geradezu mystisch verklärt auf die Vorgänge blicken, die Jesu Tod umgeben.

Im Ganzen betrachtet wird dieses Buch aufrütteln, verstören und den Leser an die Grenzen seines bisherigen Wissens um die Lebensgeschichte Jesu und Judas‘ führen. Gerade deshalb aber verdient es einen langen Blick hinein und eine intensive Auseinandersetzung damit.

Aufmachung

Das Hardcoverbuch erscheint als sandbraunes Werk, das von einem Schutzumschlag umgeben ist. Das Bild zweier Jungen, die vor einem gelbgoldenen Himmel zu sehen sind, könnte ein Hinweis auf die gemeinsame Jugend von Jesus und Judas hinweisen. Die vordere Umschlagklappe enthält die Inhaltsangabe, während die hintere eine Vita und ein Foto des Autors zeigt. Auf der Rückseite des Buches sind diverse Zitate aus Zeitungen enthalten, sowie ein Ausschnitt aus dem Buch zu lesen. Das braune Lesebändchen kann als Lesezeichen beim Lesen der 22 Kapitel und der knappen Danksagung benutzt werden.

Ähnliche Titel

Jesus Christ Superstar (Musical); Das Judas-Evangelium; „Lux Domini“ von Alex Thomas (Roman); „Der Traumhändler“ von Augusto Cury (Roman)

Herzlichen Dank an den Eichborn-Verlag für das Rezensionsexemplar.

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