Auf der Leipziger Buchmesse erhielt Lazy Literature durch Cross Cult die Chance, Vicki und Bob Scott zu interviewen, die beide berühmt für ihre Peanuts-Comics sind. Cross Cult wird die weiteren Teile dieses allseits beliebten Klassikers veröffentlichen. (Fotos: Copyright Julia Weisenberger)
Vielen Dank für das Interview!
Die Peanuts sind rund um den Globus bekannt. Aber es gibt immer noch ein paar Menschen, die nicht wissen, wer die Peanuts sind. Könntet Ihr ihnen ein wenig mehr über sie erzählen?
Bob: Im Grunde sind es Kinder und keine Nüsse, wie der Name vermuten lassen würde, also kann man sie nicht essen!
Vicki: 1950 hat Charles Schulz eine Gruppe von Kindern erfunden, die in der gleichen Nachbarschaft lebten. Charlie Brown ist vermutlich der Hauptcharakter. Dann gibt es noch seinen Hund Snoopy und dessen Freund Woodstock. Das sind die bekanntesten Figuren.
Ja, das sind die, die jeder wahrscheinlich kennt.
Vicki: Ja, und interessanterweise war jede der Figuren ein Teil von Charles Schulz selbst. Da gab es den Baseballspieler, der ständig versagte, den Künstler … Jeder der Charaktere hatte ein wenig von ihm selbst. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich mich so zu ihnen hingezogen fühle. Und sie sind nicht nur einfach lustig, sondern es gibt wirkliche Tiefe in den Geschichten und den Charakteren.
Vermutlich ist das auch der Grund, weshalb auch so viele Erwachsene sie mögen.
Vicki: Ich glaube, Kinder lesen die Geschichten und verstehen nicht alles darin.
Ich war einmal im Kino, und man erkannte sofort, welche Witze mehr für die Erwachsenen gedacht waren, da das Gelächter dann eine Oktave tiefer lag.
Bob: In den Zeichentrickfilmen mögen die Kinder den physischen Humor lieber, der vor allem zwischen Snoopy und Woodstock stattfindet, und Charlie Browns Angst und Depressionen sind etwas, das die Erwachsenen eher verstehen. Als Kind konnte ich beispielsweise nie verstehen, warum Charlie Brown zu Weihnachten immer niedergeschlagen war. Aber jetzt, als Erwachsener, verstehe ich es!
Ich glaube, der physische Humor, auf den Du dich beziehst, findet sich auch in dem Comicalbum, das in Tokyo spielt. Da gibt es eine kleine Szene, in der Snoopy und Woodstock Nudeln essen.
Bob: Ja, genau. Das ist die Szene, die fast wie ein Zeichentrickfilm ist, weil es darin keinen Dialog gibt.
Vicki, Du bist nie in Tokyo gewesen, bevor Du das gezeichnet hast.
Bob: (lacht) Sie hatte gehofft, dass es sie dahin bringen würde.
(lacht) Hat scheinbar nicht so ganz geklappt. Gibt es weitere Städte oder Landschaften, die Du gerne in einem Comic abbilden würdest?
Vicki: Da die Reise nach Tokyo nicht geklappt hat, denke ich darüber nach, diese Pläne komplett fallen zu lassen … (lacht)
Bob: Okay, es hat uns immerhin nach Deutschland gebracht, also hat es auf gewisse Weise doch hingehauen!
Dann wird das nächste Comic also Bretzeln enthalten?
Bob: Könnte sein!
Ich habe gelesen, dass Ihr mit einer Kreativgruppe an den Geschichten arbeitet. Wie funktioniert das? Die meisten Comics werden ja von einer einzigen Person erstellt – sie haben eine Idee, schreiben sie nieder und erstellen dann die Zeichnungen oder finden jemanden, der die für sie erledigt.
Vicki: Dieses Team ist wegen der Rechte wichtig, da die nicht bei uns liegen. Indem wir es mit anderen Leuten gegenchecken, stellen wir sicher, dass die Geschichte nicht zu sehr unsere eigene wird und sich von der von Charles Schulz entfernt. Wir wollen wirklich das weiterführen, was er begonnen hat, und es nicht zu etwas eigenem machen. Daher hilft uns das Team dabei, das Ganze in der Spur zu halten.
Bob: Yeah.
Vicki: Wir verstehen uns auch alle sehr gut und mögen die Arbeit des jeweils anderen. Wir schreien uns nicht gegenseitig an. Sie sind alle sehr nett und höflich.
Bob: Die Leute, die für Creative Associates arbeiten, der Firma, die Charles Schulz ins Leben gerufen hat, sind alles Leute, die mit den Charakteren aufgewachsen sind und sie sehr gut kennen. Sie lieben sie. Sie kennen alle die verschiedenen Aspekte der Figuren, daher ist das großartig! Sie stellen sicher, dass keiner sich zu sehr verändert und alles im richtigen Universum bleibt.
Vicki: Gott bewahre, ich habe anfangs Peppermint Patty in das falsche Team gesteckt, so dass ich danach herausfinden musste, wie ich sie wieder ins richtige bekomme.
Bob: Alex Galer ist der Herausgeber und wie ein lebendes Lexikon für alle Dinge und Charaktere. Irgendwann übersieht man etwas, und dann kommt er und zeigt dir den Fehler.
Wie entscheidet Ihr, welches Thema für das nächste Comic genommen wird? Ist das eine Gruppenentscheidung á la: Hm, als nächstes finde ich, dass sie nach Tokyo reisen sollten?
Vicki: Ich habe die Geschichte einfach entworfen und gehofft, dass sie ihnen gefallen würde.
Bob: (lacht)
Vicki: Und sie sagten ja.
Bob: Page Braddock, der Creative Director bei Creative Associates, kennt die Familie von Charles Schulz sehr gut und weiß, was sie gerne hätten. Als Vicki die Geschichte schrieb, mochte sie sie sofort und stellte sicher, dass die Familie mit an Bord war.
Vicki: Ja, die nächste wird ähnlich werden, aber nicht genau wie der Film. Vielleicht reisen sie demnächst mal nach Schottland – auch wenn ich das vermutlich nicht machen werde …
(lacht)
Bob: (lacht)
Vicki: … Es hört sich einfach so toll an.
Bob: Charles Schulz wollte schon immer eine Schottland-Geschichte machen.
Da gibt es aber keine Chance, dass Charlie Brown da Baseball spielen kann.
Vicki: Ja, Golf! Und ich hoffe, Dudelsackspielen.
Wie kam es denn dazu, dass Ihr beide bei den Peanuts gelandet seid?
Bob: Ich arbeite seit langer Zeit im Animationssektor. Seit fast 12 Jahren habe ich bei Pixar gearbeitet, und Andy Beall, der jetzt wieder im Team ist, hatte das Studio verlassen und arbeitete an den animierten Peanuts. Er machte ein Special mit dem Titel „Happiness is a warm Blanket“, das traditionell animiert wurde. Page und Andy fanden, dass es schön wäre, ein Comic zu haben, das damit Hand in Hand gehen würde. Also rief mich Andy in der Arbeit an und fragte, ob ich das als Selbständiger nebenbei machen wolle. Da es ein wirklich großes Projekt mit ungefähr 8ß Seiten war, fragte ich, ob ich es gemeinsam mit meiner Frau machen könne. Wir haben uns die Arbeit geteilt und da wir so viel Spaß daran hatten, blieben wir dabei.
Vicki: Das war 2010. Im Grunde sind wir immer noch Neulinge, denn die Peanuts gibt es jetzt schon fast 50 Jahre lang.
Bob: Damals kamen die Comics wieder ins Sortiment zurück, da Charles Schulz diese Idee damals in den seinen 50ern/60ern hatte. Sie brachten damals eine Serie bei Dell Comics heraus, die von anderen Künstlern gezeichnet wurden, während Charles Schulz das alles überwachte. Die Künstler arbeiteten eng mit ihm zusammen, um die Charaktere kennen zu lernen. Schulz war damit einverstanden, dass andere Künstler mit den Figuren arbeiteten, also kamen weitere hinzu. Dann kam das Merchandising dazu, und er musste sich auf seine Comicstrips konzentrieren, während andere den Rest übernahmen. Wir haben also im Grunde eine Tradition wiederbelebt. Schulz hat es damals erlaubt, und wir haben sie einfach wieder ins Leben gerufen.
Wie erklärt Ihr Euch die anhaltende Faszination für die Peanuts?
Vicki: Ja, stimmt, sie existieren jetzt schon ziemlich lange. Ich habe mal einen Kinderpsychologen sagen hören, dass es ein großartiger Spielplatz für Kinder ist, um sich mit ihren Gefühlen von Versagen und Einsamkeit auseinanderzusetzen – diesen Gefühlen, die auf der anderen Seite der Skala zu finden sind. Vielleicht ist das ein Teil davon. Ich glaube, es hat aber auch sehr viel mit Snoopy zu tun.
Bob: (lacht) Yeah, Snoopys Vorstellungskraft und seine witzigen Einlagen sind einfach so physisch. Er ist weniger ein Hund und mehr ein Künstler, der sich diese fantastische Welt vorstellen kann. Die Leute fühlen sich damit verbunden. Als Kind kann man einen Karton nehmen und sich vorstellen, dass es ein Raumschiff ist. Snoopy tut das die ganze Zeit.
Und was fasziniert Euch persönlich daran?
Vicki: Ich habe sie, seit ich lesen kann, gelesen. Sie sind also ein wenig wie meine Familie für mich. Das ist es wohl für mich: Ich liebe sie wie eine Art Familie.
Bob: Ja, ich liebe das, was Charles Schulz getan hat, und er war einer der größten Künstler aller Zeiten für mich.
Er war also Deine Inspiration?
Bob: Yeah, definitiv. Er inspirierte so viele Menschen. Comics wie „Calvin und Hobbes“ waren von ihm beeinflusst – viele der Schneemann-Gags waren direkt von Schulz inspiriert. Die Menschen vergessen manchmal, wie großartig er war, da er ein solch untrennbarer Teil und eine solche Institution in diesem Genre war und ist. Er war der erste, der Kinder zeichnete, die wie Erwachsene redeten. Linus und seine Decke zum Beispiel. Viele Kinder tragen eine Decke mit sich herum aus einer Sehnsucht nach Sicherheit. Aber niemand hat vor Charles Schulz jemals daran gedacht, das in einem Cartoon unterzubringen. Großartige Dinge wie diese sind der Grund, weshalb ich immer noch von seiner Arbeit fasziniert bin.
Gibt es auch noch andere Inspirationsquellen für Euch?
Vicki: Ich mag Mary Blair sehr gerne. Ich liebe moderne Kunst, aber ich liebe auch Jane Austen. Es sind also weniger Comics, als man erwarten könnte.
Ich denke, man zieht seine Inspiration aus allem, also ist es egal, ob es ein geschriebenes Wort oder gezeichnete Bilder sind, von denen man seine Ideen erhält.
Bob: Ich habe die „Pogo“-Comics von Walt Kelly und die Arbeit von Hank Ketcham geliebt (Anm.: Ketcham wurde berühmt für seine „Dennis“-Comics, die später in eine Zeichentrickserie umgesetzt wurden). Ich finde, dass Hank Ketcham neben Charles Schulz einer der besten Cartoonisten der Welt ist!
Möchtet Ihr ein paar Schlussworte sagen?
Bob: Wir lieben Animation und Comics.
Vicki: Es hat so viel Spaß gemacht, die Charaktere zu zeichnen und mit ihnen zu arbeiten. Obwohl ich Charles Schulz nie getroffen habe, habe ich das Gefühle, dass er uns über die Schulter sieht.
Bob: Wir respektierten seine Arbeit und möchten, dass er stolz auf unsere Arbeit ist. Die Fans waren ein wenig besorgt, als bekannt wurde, dass ein neues Comic veröffentlicht werden wird. Sie haben befürchtet, dass wir die Peanuts modernisieren würden, aber es gibt dort immer noch kein Internet und kein Handy.
Vicki: Die Peanuts haben sich nie in der Zeit vorwärts bewegt.
Bob: Also können die Fans einfach genüsslich lesen und sich an die Zeit erinnern, in der es noch keinen Computer gab.
Ah, ja, als die Kinder noch raus gingen und draußen spielten und nicht vor dem Computer saßen. Damals ist man raus und hat wie Charlie Brown mit seinen Freunden Baseball gespielt.
Gibt es also demnächst noch mehr von Peanuts für Euch?
Bob: Oh, ja! Auf jeden Fall!
Vielen Dank für dieses großartige Interview! Es hat viel Spaß gemacht!
Hier geht es zur Originalmitschrift des in Englisch geführten Interviews.