Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld, LBM 2015Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld sind die Schöpfer der Comicreihe »Das UPgrade«, die bei Cross Cult erscheint. Auf der Leipziger Buchmesse konnten die beiden für ein kleines Interview gewonnen werden.

Erst mal vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für mich nehmt, und dann legen wir auch gleich los.
Wie kam es bei euch zu der Zusammenarbeit?

Sascha Wüstefeld: Wir haben uns bei MOSAIK kennengelernt. Da haben wir vor siebzehn Jahren gearbeitet, uns angefreundet und sind dann auch relativ schnell Freiberufler geworden. Wir haben dann auch immer wieder vorgehabt, etwas zusammen zu machen, aber es hat dann doch noch gedauert.

Ulf S. Graupner: Du dachtest, du könntest irgendwo mit einem Comic unterkommen, aber das hat anfangs nicht geklappt. Ich hatte währenddessen so ein Notizbuch mit vielen Gedanken und Ideen, wo ich immer alles reinschreibe, was mir einfällt. Da waren die Protagonisten bereits ein älterer und ein jüngerer Mann. Die Geschichte war völlig anders, aber sie war die Diskussionsbasis, aus der dann dieses komplexe Gebilde namens „Das UPgrade“ entstanden ist, aus dem mal zehn Bände werden sollen.

Heißt das, die Geschichte ist schon komplett fertig?

Ulf: Ja, als Grundgerüst schon. Es existiert eine Zusammenfassung pro Buch bis zum Ende.
Sascha: Wir wissen, wie alles ausgeht und wie jeder Erzählstrang sich auflösen wird. Was wir aber noch ziemlich frei einteilen können ist, wie die Geschichte sich auf die zehn Bände verteilen wird. Dadurch bleiben wir noch flexibel. (zu Ulf) Ja, ich weiß! Du hast das ja schon mal eingeteilt, hahaha…

Ulf, Du bist der Strukturiertere von Euch beiden?

Ulf: Nein, wir sind beide Chaoten und passen darum eben gut zusammen. Die beiden Chaosse ergeben am Ende zufällig ein übersichtliches Ding. Ich habe auch schon mal aufgeschrieben, wie die Handlung chronologisch abläuft. Aber wir haben eine achronologische Erzählweise …

Sascha Wüstefeld und Ulf Graupner – Das UPgrade – Band 01Ich habe den ersten Band natürlich als Vorbereitung gelesen und war ehrlich gesagt ein wenig mit den vielen Zeiten überfordert. Einmal ist unser Held jünger, dann wieder älter, dann erlebt man seine Geburt mit …

Sascha: Am Anfang ist es sicher schon bisschen schwierig. Man muss sich erst mal an die Erzählweise gewöhnen. Aber unser Ziel ist, dass man mit jedem neuen Band die vorhergehenden wieder neu wahrnimmt und neue Blickwinkel einnimmt. Man versteht dann beispielsweise einige bereits gezeigte Szenen noch mal ganz anders, in denen etwas geschieht, das man im ersten Moment nicht mitbekommen hat. Erst wenn man den zweiten Band gelesen hat und noch mal zurückblättert, wird einem klar, wen oder was man da eigentlich gesehen hat.

Das ging mir in dem ersten Band schon, denn da gibt es ja die kleine Zusatzgeschichte über die Krankenschwester, die bei Ronnys Geburt auftaucht. Die sieht man schon mal anders, wenn man den Band gelesen hat und noch mal anfängt.

Sascha: Genauso ist es. Bestimmte Schlüsselszenen werden immer wieder auftauchen, aber aus anderen Blickwinkeln. Wir sehen dann beispielsweise dieselbe Szene, aber aus den Augen einer anderen Figur und alles bekommt einen neuen Zusammenhang. Es ist ein Erzählexperiment, mit dem wir natürlich auch den Leser etwas heraus- und eventuell sogar überfordern. Es gibt jetzt aber schon viele, die auf uns zukommen und sagen, dass sie manche Szenen zwar fünfmal lesen mussten, aber dann hat es auf einmal Klick gemacht. Cool ist, dass die Leser so motiviert sind, die Sachen zu verstehen! Sie könnten das Buch ja auch einfach frustiert in eine Ecke knallen. Hahaha!

Ulf: Das wird natürlich unterstützt durch die tollen Zeichnungen von Sascha. Wenn es hässlich gezeichnet wäre, wäre man bestimmt nicht neugierig darauf und würde es nicht immer wieder neu ansehen.

Das heißt, du, Ulf, bist mehr der Geschichtenerzähler, und Sascha zeichnet?

Ulf: Ich bin ja auch Comiczeichner, aber in diesem Fall nicht. Manchmal helfe ich zwar aus und zeichne eine Szene, aber beim UPgrade bin ich hauptsächlich fürs Grafikdesign zuständig. Die Story machen wir gemeinsam.

Ihr seid ja sehr frei in der Seitengestaltung beim UPgrade. MOSAIK ist ja sehr festgelegt im klassischen Sinn mit der Größe der Panels. Die Aufteilung der Seiten ist ja ein ganz eigenes Medium, mit dem man auch sehr viel mitteilen kann. In einem anderen Interview, das ich mal geführt habe, sagte die Erzählerin, dass sie das Ganze wie einen Roman schreibt, und die Zeichnerin sich dann frei überlegen kann, wie sie die Seite gestaltet.

Wie geht ihr da vor? Sascha, überlegst du dir nach der Geschichte, wie du die Seite aufteilst, oder steht das schon fest?

Beide: Ganz unterschiedlich.

Ulf: Wir haben ja schon drei Alben gemacht, aber bei jedem findet sich ein anderer Weg.

Sascha: Wie gesagt, es sind verschiedene Erzählstränge, die Dinge repräsentieren, die jeden von uns unterschiedlich stark interessieren. Der eine interessiert sich beispielsweise für ein bestimmtes Thema mehr und schreibt dann diese Handlung, während der andere wieder einen anderen Teil der Geschichte übernimmt. Am Ende ist es so, dass wir uns, wenn es schriftlich fixiert ist, zusammensetzen und streichholzschachtelgroße Scribbles der Seiten machen. Danach geht es los mit der richtigen Arbeit. Die Dialoge stehen zu diesem Zeitpunkt auch nur als loses Konstrukt fest und werden teilweise erst ganz am Ende festgelegt.

Ulf: In letzter Zeit nehmen wir auch mal ein großes Stück Papier und kleben dort verschiedenfarbige Klebezettel drauf, mit denen wir die Handlungsstränge markieren. Ronny befindet sich in einer Höhle, das bekommt dann die eine Farbe, die andere Geschichte eine andere. Bei Band 3 haben wir am Ende alles noch mal verschoben.

Sascha: Ja, das ist wie beim Filmschnitt. Alles ist fertig, aber wir merken, dass es mehr Spannung hat, wenn wir eine andere Szenen-Reihenfolge wählen. Dadurch wurde der Band viel interessanter.

War das jetzt bei der Neuauflage oder schon damals?

Sascha: Das haben wir damals schon so gemacht. Es ist die Arbeitsweise geworden, die wir perfektioniert haben. Wir haben dadurch Rhythmus in die Story bekommen und gehen im Grunde filmisch an die Sache heran. Wir haben uns beispielsweise vorgenommen, dass die Alben mit ungeraden Nummern einen starken Cliffhanger haben, während Alben mit geraden Zahlen etwas befriedigender enden.

Auf der Suche nach Inspiration?

Auf der Suche nach Inspiration?

Also Doppelbände?

Sascha: Ja, im Grunde schon.

Ulf: Wir planen ja auch, es im Ausland zu veröffentlichen, und die Franzosen sind es zum Beispiel gewohnt, gleich dickere Bände zu lesen.

Sascha: Ja, das waren Überlegungen, die mit reingespielt haben.

Gibt es denn schon Anfragen aus dem Ausland?

Ulf: Es gibt leise Vorzeichen dafür, aber noch nichts Konkretes.

Na, ich drücke die Daumen. Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen? Es ist schon etwas ungewöhnlich, einen Superhelden aus der DDR zu haben.

Ulf: Das ist es ja gerade. Wir sind ziemlich übersättigt und haben schon alles gesehen, was es so gibt. Es ist schwer, etwas total Neues zu bringen. Am Ende bleibt einem nur ein Genre-Mix, den es noch nicht gab. Etwas möglichst Kontrastreiches. Wir wurden beide in der DDR geboren – haben sozusagen Insiderwissen – und dazu passen Science-Fiction und Superhelden ja so gar nicht. Das ist so eine andere, bunte Zukunftswelt. Es hat es uns gereizt, das aufeinander prallen zu lassen.

Zwischendurch wirkt er ja auch ein wenig psychedelisch, der Comic.

Ulf: Ja, das ist auch die Wahrnehmung als Kind. Man sagt ja immer, dass die DDR so grau gewesen wäre. Als Kinder haben wir das aber nicht so gesehen, wir haben die Grautöne wohl als Farben interpretiert. Mit den heutigen Mitteln der Farbgebung wirkt unsere Erinnerung daher recht bunt.

Sascha: Am Schluss wird es sich gar nicht mehr so sehr um die DDR drehen. Das war eigentlich nicht unser Ziel, einen DDR-Comic zu machen.

So großartig viel ist ja nicht drin.

Ulf: Es ist mehr die Kulisse, da die eine Hauptfigur aus der DDR kommt.

Sascha: Sie kommt deshalb dorther, weil wir sehr viel aus der Kindheit der Figur erzählen. Da unsere eigene Kindheit in der DDR stattgefunden hat, hat es sich angeboten auf unsere eigenen Erinnerungen zurückzugreifen. Das fiel uns leichter, als wenn wir ein Kind aus Amerika als Protagonisten genommen hätten.

Aber es gibt ja auch eine Figur aus Amerika.

Sascha: Stimmt, Cosmo!

Genau. Okay, dann seid ihr ja inzwischen um einiges weiter mit der Geschichte und im Kopf schon beim nächsten Band. Wann kommt der zweite?

Sascha: Zur Frankfurter Buchmesse. Band 3 wird im März 2016 zur nächsten Leipziger Buchmesse erscheinen, und Band 4 bald darauf im Juni 2016.

Ulf: Band 2 und 3 kommen deshalb so schnell, weil wir damit schon fertig sind. Wir haben ja schon vor Jahren die ersten beiden Bände bei Zitty und Band 3 selbst veröffentlicht.

Wie kam es denn dazu, dass ihr bei Cross Cult gelandet seid? Habt ihr euch gemeldet oder wie lief das?

Ulf: Wir hatten uns verschiedene Verlage rausgesucht, die in Frage kommen würden und haben die beim Comicsalon Erlangen 2014 angesprochen.

Sascha (lacht): Wie das klingt!

Ulf: Ja nun, man muss doch ins Programm passen!

Stimmt.

Ulf: Anfangs hatten wir beim Comicfest München einen Flyer ausgelegt, von dem alle begeistert waren. Zwei, drei Verlage hatten sich danach gemeldet, aber wir hatten dabei ein komisches Gefühl, weil wir die jeweiligen Verlagsprogramme kannten und wussten, dass wir da nicht recht reinpassen. Das wussten die Verlage aber nicht, die kannten ja nur das eine Bild vom Flyer. Die meisten wollten auch immer ein wenig mitmischen und in die Story eingreifen, aber wir wollten das alles selbst machen: Schrift und Gestaltung, auch das Papier aussuchen. Letztlich sind wir dann zu Zitty gegangen, weil wir dort völlig freie Hand hatten. Sascha: Zitty war das sogar recht, weil die dort gar keine Leute für unser Projekt zusätzlich beauftragen konnten. Im letzten Jahr wurde dann aber die Zitty verkauft und der neue Verlag wollte keine Comics mehr machen. Wir wollten auch nicht zu dem neuen Verlag, denn das ist mehr eine Medienagentur. Da haben wir das zum Anlaß genommen uns einen neuen Verlag zu suchen. Es gab auch ziemlich rasch Reaktionen, und so haben wir uns für Cross Cult entschieden, weil wir glauben, dort am besten reinzupassen. Cross Cult hat auch die meisten Titel, die uns selbst als Comicleser interessieren – „Hellboy“, die Comics von Frank Miller, „Gung Ho“ …

Das sind dann auch Inspirationen für euch?

Sascha: Also zeichnerisch vielleicht, aber unsichtbar. „Hellboy“ ist beispielsweise etwas, das mir sehr gut gefällt. Die amerikanischen Ausgaben sind ja farbig und die mag ich sehr. Aber auch die schwarzweißen Versionen sind klasse. Und „Gung Ho“ ist großartig.

Ulf: Cross Cult lässt uns auch viele Freiheiten, was besonders toll ist. Normalerweise traut einem ein neuer Verlag nicht zu, alles selbst machen zu können. Aber wir haben ja schon was vorzuweisen und vermitteln damit dem Verlag ein sicheres Gefühl, wenn er uns die Gesamtgestaltung anvertraut.

Also ist der Band komplett von vorne bis hinten von euch?

Ulf: Komplett, ja. Also jeder einzelne Text, jeder einzelne Buchstabe, die Gestaltung …

Sascha: Ulf macht das Grafikdesign, das ist seine Spezialität. Er hat da einen ganz eigenen Stil, auch das Vorsatzpapier hat eine eigene Ästhetik, die auf der einen Seite streng, aber auf der anderen seltsam abgefahren wirkt. Das passt dann mit den relativ lockeren Zeichnungen sehr gut zusammen.

Zwischendurch wirkt der Comic durch die Farbgebung und die Linienführung ein wenig italienisch vom Stil her.

Sascha: Findest du? Das nehme ich als Kompliment.

So war es auch gedacht. Ich lese ziemlich viele italienische Sachen …

Sascha: Ich bin mit einer Italienerin verheiratet, daher gebe ich zu, dass ich dadurch schon ein wenig beeinflusst bin. Ich habe auch mal für Disney Italien gearbeitet und dort eine Serie namens „Mad Sonja“ entwickelt.

Wie gefällt euch denn bisher die Leipziger Buchmesse? Kommt ihr überhaupt rum?

Ulf: Auf jeden Fall. Wir haben uns aber bisher noch nicht besonders weit von diesem Stand entfernt …

Außer, wenn ein Interviewtermin ist, dann seid ihr weiter weg! (lacht)

Sascha (scherzt): Ich dachte, DAS HIER (Anm.: Halle 1, wo die Comicverlage stationiert waren) ist die Leipziger Buchmesse!

Ulf (scherzt): Nein! Ich habe eine ANDERE HALLE entdeckt, die ist gleich hier drüben! Da sind so Kunstsachen.

Sascha (scherzt): Echt?

Ah, in Halle 3.

Ulf: Genau. Das war spannend.

Es gibt ja schon viel zu sehen, wenn man sich nur in Halle 1 aufhält.

Sascha: Ja, ich finde die Cosplayer total super! Das war vor einigen Jahren gar nicht denkbar, dass das so extrem in die Popkultur Einzug hält.

Ihr habt Glück. Diesmal ist es breiter gefächert als letztes Jahr. Da gab es zwei oder drei Serien, die „in“ waren, und ich habe mich immer gefragt, wie die noch erkennen können, wer zu welcher Gruppe gehört.

Sascha: Es ist toll, was die Cosplayer alles auf die Beine stellen. Na ja … kurz gesagt – es gefällt uns super hier! Ich will noch gar nicht weg.

Ihr seid gestern gekommen, oder?

Ulf: Wir sind schon seit Donnerstag hier und es gab schon ein paar Diskussionsrunden, durch die wir am Mikrofon warmgelaufen sind … deshalb sind wir auch so redselig.

(lacht) Ah, davon profitiere ich jetzt, oder wie?

Sascha (lacht): Genau!

Na, dann vielen, vielen Dank für das tolle Interview und alles Gute für die nächsten Bände!