Oliver Pötzsch ist bekannt geworden durch seine Reihe „Die Henkerstochter“, die er nach Recherchen über seine eigene Familiengeschichte begonnen hat. Nun steht gerade „Die Burg der Könige“ in den Regalen, ein Roman über die Stauferzeit und die Bauernkriege. (Foto: Copyright Gerald von Foris)
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Das hier ist das erste Interview, das ich telefonisch führe, von daher ist das heute eine Premiere.
Ich freue mich auf Ihre Fragen. Es geht einfach schneller, wenn ich es am Telefon erzähle, da ich immer mehr Anfragen für Interviews erhalte.
Was an historischen Stoffen fasziniert Sie am meisten?
Als Kind und Jugendlicher habe ich mich schon sehr viel mit Geschichte befasst, weil ich finde, dass Geschichte immer noch die besten Geschichten erzählt. Warum sollte ich etwas erfinden, wenn ich feststellen muss, dass es tolle Erzählungen gibt, die tatsächlich passiert sind? In der Zeit, in der „Die Burg der Könige“ beispielsweise spielt, gab es viele große Schlachten, bei denen einer den anderen gefangennahm und ihn in einen Turm sperrte und es kam zu einem Geiselaustausch wie bei Checkpoint Charlie an einem Grenzfluss. Der Götz von Berlichingen und andere historische Figuren sind sehr spannend und liefern mir natürlich dadurch guten Stoff für meine Romane.
Wie viel schriftstellerische Freiheit nehmen sie sich bei den historischen Figuren?
Beispielsweise beim Götz von Berlichingen basiert sehr viel auf dem Mythos von Goethe: Er sei ein Raubritter, netter Kerl und Freiheitskrieger gewesen, der in der Zeit der Bauernkriege gelebt hat. Aber Götz war nicht so nett wie bei Goethe beschrieben, sondern ein wahrer Raubritter und Opportunist, so dass man ein wenig mit dem bekannten Bild brechen kann. Allerdings muss man natürlich aufpassen. Je mehr über eine historische Figur bekannt ist, desto weniger Freiheiten hat man. Bei Karl V. habe ich viele Biografien gelesen und versucht, einige Rückschlüsse zu ziehen. Es ist gut, wenn man eine Mischung aus historischen Figuren und erfundenen Figuren hat. Mit letzteren kann man allen möglichen Unfug treiben, aber bei den historischen muss man vorsichtiger sein.
Könnten Sie sich vorstellen, auch andere Genres zu schreiben? Falls ja, welche?
Thriller habe ich schon mal geschrieben, aber grundsätzlich kann ich mir jedes Genre vorstellen. Ich habe ja eine gewisse Geschichte im Kopf und die gibt mir das Genre vor. Wenn ich eine gute Geschichte hätte, die einen anderen Stil oder eine andere Zeit vorgibt, würde ich die natürlich dort spielen lassen. In die historische Zeit bin ich wegen der Familiengeschichte gerutscht. So bin ich ein wenig festgelegt, aber es gibt auch durchaus Schriftsteller, die unter einem anderen Pseudonym schreiben, wenn sie das Genre wechseln.
Würden Sie auch einen anderen Namen wählen?
Ich glaube, ich würde unter meinem richtigen Namen schreiben.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Autor im Vergleich zu Ihrem restlichen Leben?
Mein Leben wird dadurch miteinander vereint, weil ich meinen Beruf nicht als Autor bezeichne, sondern als Geschichtenerzähler, was ich schon mein ganzes Leben lang gerne getan habe (Fernsehen, Radio, meine Kinder, etc.). Ich erzähle eben gerne Geschichten. Das passt daher sehr gut mit meinem Bild von mir selbst zusammen. Mein Beruf ist damit ein Ausdruck meines Seins.
Historische Romane sind beliebt. Gibt es bspw. auf Messen oder auch privat Kontakte zu anderen Autoren und wie empfinden Sie diese?
Ich tausche mich gerne mit Richard Dübell (z.B. „Die Pforten der Ewigkeit“, „Allerheiligen“) aus. Er recherchiert sehr gut und verkauft die daraus entstandenen Geschichten sehr unterhaltsam und sehr gut. Heidi Rehn (z.B. „Bernsteinerbe“) kommt aus meinem Viertel und gehört ebenfalls zu meinem Bekanntenkreis.
Allgemein sprechen wir gerne darüber, wie man recherchiert und welche historischen Bilder man darüber hat, was die Leute angezogen haben, oder wie verschiedene Probleme von anderen Autoren schon gelöst wurden.
Zudem gibt es einen Stammtisch von Münchner Krimiautoren.
Autoren freuen sich immer, wenn sie mit anderen Autoren am Tisch sitzen und sprechen dann natürlich sehr viel über ihr Handwerk, denn man kann sich nur schlecht mit anderen Menschen darüber unterhalten. Wenn es zum Beispiel weniger Automechaniker geben würde, würden die sich auch freuen, wenn sie sich treffen können und man sich gegenseitig austauscht.
Schreiben gilt ja als „einsame Tätigkeit“. Wie ist das bei Ihnen und wie schaffen Sie einen Ausgleich?
Einen Ausgleich brauche ich unbedingt. Ich komme ja aus dem Journalismus und aus dem Fernsehen, wenn Ihnen beispielsweise die Fernsehsendung „quer“ etwas sagt. Ich arbeite nun nicht mehr im Fernsehen und schreibe nur noch. Ich gleiche das aus, indem ich viele Recherchereisen mache und viele Gespräche mit Leuten vor Ort führe – als nächstes in Bamberg, dem Schauplatz des nächsten „Henkerstochter“-Romans. Auch mache ich viele Lesungen und spreche dort mit meinen Lesern. Sonst muss meine Familie es ausbaden, wenn ich mal wieder drei Tage stumm vorm Computer gesessen bin.
Ihr neuester Roman „Die Burg der Könige“ handelt von der Stauferburg Trifels und den Bauernkriegen. Auch der Comic „Hauptmann Veit“ spielt beispielsweise in dieser Zeit. Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Romane auch als Graphic Novel oder Comic umsetzen zu lassen, und sind Sie ein Comicfan?
Solange ich es nicht selbst malen muss, könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Leider habe ich dafür kein Talent. Ich wurde auch schon gefragt, ob ich die „Henkerstochter“ als Comic sehen würde. Ich habe mir auch gleich den neuen „Asterix“-Band gekauft. Und meine „Tim und Struppi“-Sammlung würde ich nie hergeben.
Wie gefiel Ihnen der neue Band von „Asterix“ denn?
Der neue Band ähnelt zeichnerisch wieder mehr dem alten Stil. Einige der Witze kamen an Goscinny ran, aber es ist natürlich schwer, es allen recht zu machen. Ich habe auch schon einige Rezensionen gelesen, die nicht allzu freundlich mit den neuen Machern umgesprungen sind. Aber das kenn ich ja auch von meiner eigenen Arbeit.
Wie kamen Sie auf den Stoff zu „Die Burg der Könige“?
Wenn ich die ganze Zeit über Scharfrichter im 17. Jahrhundert schreiben würde, würde ich langsam durchdrehen. Sogar meine Frau meinte, ich solle mal was anderes schreiben.
Zwischendurch habe ich den Thriller „Die Ludwigverschwörung“ über Ludwig II. geschrieben, aber nun wurde es mal wieder Zeit für einen Erholungsurlaub von meiner fiktiven Familie. Jetzt verstehe ich mich wieder besser mit ihnen, wie bei richtigen Familienmitgliedern. Grundsätzlich bin ich ein großer Burgenfan und wollte schon immer mal was darüber schreiben.
Haben Sie neue Projekte?
Nächstes Jahr erscheinen einige Sachen von mir, darunter etwas, das ein wenig anders ist als meine bisherigen Bücher. Über ein paar Sachen darf ich noch nicht zu viel verraten, aber ich schreibe momentan an der nächsten „Henkerstochter“. Es geht um einen vermeintlichen Werwolf in Bamberg, und das Buch wird im Spätsommer bei Ullstein erscheinen.
Möchten Sie Ihren Lesern noch etwas mitteilen?
Durch die Einträge auf meinem Gästebuch oder die Rückmeldungen bei Lesungen erhalte ich die Motivation, weiterzumachen. Vielen Dank dafür!
Das Schönste, was mir eine Leserin mal gesagt hat, war folgendes:
Vor zwei Jahren musste ich mich ziemlich plötzlich einer größeren Herzoperation unterziehen und dafür eine große Lesung absagen. Ein Jahr später wurde sie nachgeholt. Eine Leserin kam damals zu mir und sagte: „Herr Pötzsch, als ich das mit ihrer Herzgeschichte hörte, war mein erster Gedanke: Hoffentlich überlebt er es, damit er weitere Geschichten schreiben kann.“
Herzlichen Dank für Ihre Zeit!