mangamellyMelanie Schober ist eine bekannte deutsche Mangazeichnerin, der mit ihrer neuen Serie „Skull Party“ bei Carlsen ein neuer Hit gelungen ist. Sie hat es trotz ihres vollen Terminkalender geschafft, einige Fragen für Lazy Literature zu beantworten. (Foto: Copyright Melanie Schober)

Sie sind ja bereits eine „alteingesessene“ Mangazeichnerin. Können Sie sich noch daran erinnern, wie es war, 2005 den Sonderpreis für Österreich beim Connichi-Wettbewerb zu gewinnen und danach ihren Weg zu gehen? Welche Erlebnisse haben Ihnen dabei am besten gefallen?

Tatsächlich war der Sonderpreis für Österreich der allererste Comicpreis, den ich bis dahin gewonnen hatte, und meine Freude darüber war unendlich.
Das Schönste an meinem bisherigen Weg ist, dass ich dadurch sehr viele nette Kontakte geknüpft und viele Menschen kennen gelernt habe. Auf Fantreffen und Conventions fühle ich mich sehr wohl, denn Leser und Fans zu treffen beflügelt und gibt einem das Gefühl, dass die viele Arbeit einen Sinn hat und dass das Ganze nicht nur ein eigenbrötlerisches vor sich hin Zeichnen ist, sondern vor allem eine Art der Kommunikation mit dem Leser. Die Resonanz auf die Geschichten kommt hauptsächlich per Internet, aber bei Treffen im „wirklichen“ Leben sind die dabei erlebten Emotionen natürlich intensiver.
Gern erinnere ich mich auch an meine Besuche im Verlag zurück. Hamburg ist eine sehr schöne Stadt und die Carlsen Manga Redaktion ist voller netter Menschen, die ich sehr schätze!

2011 haben Sie die „Westbahnserie“ erstellt, eine Bilderserie für die Kaufleute der Westbahnstraße in Wien, die zu einer Einkaufstasche im Mosaikstil wurde. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und welche Erinnerungen haben Sie noch an die Arbeit an dieser Reihe?

Den Auftrag ergatterte ich hauptsächlich deswegen, weil ich mich endlich dazu aufraffen konnte, eine Homepage mit Kontaktformular zu basteln! Wann immer jemand „Manga“ zusammen mit den Begriffen „Zeichnung“ und „Österreich“ googelt, findet man meine Homepage.
Und so kam es zur Zusammenarbeit mit Gudrun Kirchert, welche mich auf diese Weise im Web gefunden hat.
An die Zeit, als ich mit der Westbahnserie beschäftigt war, hab ich ausschließlich gute Erinnerungen. Ich konnte dadurch meine Bekanntheit – vor allem in Österreich – ausbauen und es folgten weitere schöne Aufträge. Mit Gudrun verbindet mich bis heute ein freundschaftliches Band.

Ihr Pensum ist wirklich beachtlich. Wie schaffen Sie es, alle Ihre Termine und Arbeiten unter einen Hut zu bringen?

Um ehrlich zu sein, verpasse ich leider viele Deadlines, die der Carlsen Verlag mir setzt. Der Arbeitsaufwand für einen Mangaband ist sehr schwer vorauszuberechnen und je nach zu zeichnendem Szenario und auftretenden Charakteren sehr unterschiedlich (eine Szene in der Wüste ist schneller gezeichnet, als eine in der Großstadt, zum Beispiel ;-)).
Ich habe drei Assistenten, die mir ab und zu aushelfen, damit ich schneller voran komme, aber diese haben nicht immer Zeit für meine Projekte. Zudem kann es passieren, dass überraschend ein sehr lukrativer Illustrator-Job rein flattert, den ich dann – natürlich nach Absprache mit dem Verlag – annehme und nebenher erledige, was meine Geschwindigkeit etwas ausbremst.
Ich bin eine recht leidenschaftliche Zeichnerin und ein Workaholic. Das bedeutet, dass es für mich eigentlich kein Wochenende und keine freien Tage gibt. Nur ab und zu treffe ich mich mit guten Freunden, oder fahre zusammen mit meiner Familie eine Woche ans Meer.

Die „Kristallschädel“ in Ihrem neuen Manga „Skull Party“ sind seit Indiana Jones bekannt geworden, aber in spirituellen Kreisen schon länger ein Thema. Wie sind Sie darauf gestoßen und was gab den Ausschlag, sie in Ihr Manga einzubauen?

Ui, das ist schwer zu beantworten!
In unserer Familie sind alle sehr an spirituellen und mystischen Dingen interessiert – ganz besonders meine Mutter. Überall liegen Bücher über Atlantis und die Kristallschädel herum. Das allein war schon ein kleiner, inspirierender Anstoß. Das Fass zum Überlaufen brachte aber eine Dokumentation über die besonderen Kräfte der originalen Kristallschädel, deren Herkunft immer noch nicht genau geklärt ist.
All das – die besonderen Eigenschaften der Schädel und ihre mögliche atlantische Herkunft… das ist doch perfekt für eine tolle Mangageschichte geeignet, dachte ich mir. Und schon war mein Gehirn dabei, sich dazu etwas auszudenken. Wenn ich damit mal angefangen hab, kann ich es nicht mehr aufhalten. 🙂

Sie zeichnen in Ihrem Manga eine sehr düstere Weltsicht, die von Umweltkatatrophen und der Notwendigkeit gekennzeichnet ist, die Menschheit durch Medizin „ruhig“ zu stellen und zu kontrollieren. Sind Sie ein Fan von Dystopien oder entwickelte sich das aus der Grundidee der Geschichte?

Puh, ich weiß nicht, ob ich ein „Fan“ von Dystopien bin. Vielmehr hab ich Angst vor Katastrophen – vor allem vor den vom Mensch selbst verschuldeten – und diese Ängste sind es, die mich am ehesten dazu anregen, mir Geschichten auszudenken. Man liegt nachts im Dunklen wach und fragt sich: Was wäre wenn…? Und schon sprudelt eine innere Quelle und liefert Ideen.
Vieles von der Dystopie in „Skull Party“ ist längst Realität. Zappelige Kinder werden mit Ritalin ruhig gestellt und gestresste Manager konsumieren Kokain oder Speed, um länger leistungsfähig und wach zu bleiben. Das Ganze hat bereits einen Namen. Nämlich „cognitive enhancement“ oder auch „neuro enhancement“. Dabei geht es darum, die natürlichen Fähigkeiten des menschlichen Gehirns bis zum absoluten Maximum auszudehnen – mithilfe von psychoaktiven Substanzen.
Und die Frage, die ich mir da stelle, ist folgende: Sind es nicht die Schwächen und inneren Schranken, die unseren Charakter formen? Werden wir nicht zu gleichgeschalteten, perfekten Maschinen, wenn wir alles an uns auslöschen, das auf den ersten Blick vielleicht „rau“ und „unvollkommen“ ist?
Und liegt der ultimative Sinn des Lebens wirklich darin, das absolute Maximum im Job, also im Dienste für das System, zu leisten?
Ich finde, der Mensch ist mehr, als die Summe seiner rein kognitiven Fähigkeiten.

Wie empfindet man als Autorin, wenn die Hauptfigur Emil aus „Skull Party“ auf den ersten Blick unsympathisch wirkt?

Klingt vielleicht seltsam, aber wenn mir jemand sagt, dass Emil unsympathisch ist, muss ich grinsen. Denn genau das soll er – zumindest in Band 1 (und teilweise noch in Band 2) auch sein! Anfangs ist Emil nämlich ein richtiger Widerling! Er ist zweifelsohne sehr intelligent und auch nachdenklich, zugleich aber auch selbstgerecht, brutal und unbeherrscht. Eben etwas, das NICHT künstlich geglättet, oder gezähmt wurde, da er als einer der wenigsten Menschen in meiner Story keine Drogen intus hat, die ihn formen und zurecht biegen.
Er ist ein ätzender, rebellierender, verwirrter Teenager. Aber im Laufe der Geschichte soll er reifen und erwachsen werden. Sollte mir ein Leser am Ende der Geschichte sagen, dass er Emil immer noch widerlich findet, hab ich was falsch gemacht!

Die Frage nach Huhn oder Ei – was war zuerst da? Die Charaktere oder die Geschichte?

Hier definitiv die Geschichte! Die Story von „Skull Party“ ist vom Aufbau her wie eine Zwiebel: Ganz außen ist die heutige Welt mit der drogenkontrollierten Gesellschaft, darunter liegt die Familiengeschichte von Emil und alles, was den Kampf Bilderberger gegen Skull Party betrifft. Aber darunter liegt noch etwas, das aktuell geheim bleiben muss und wie Leim den gesamten Storyklumpen zusammen hält.
Die Zwiebel war vorher da. Erst danach entwickelten sich die Figuren, die dieser Zwiebel ihr Aroma geben sollten.

Wie darf man sich einen Arbeitstag bei Ihnen vorstellen?

Mein Tag-Nacht Rhythmus ist etwas verdreht. Ich stehe zu Mittag auf, frühstücke, checke das Internet und beginne nachmittags mit der Arbeit, unterbrochen von diversen E-Mails und Telefonaten. Abends gibt es ein gemütliches Essen mit der Familie (ich lebe noch Zuhause bei meinen Eltern) inklusive Hausarbeit. Danach zeichne ich wieder von etwa 21 Uhr bis 6 Uhr morgens. Der Vorteil der Nachtarbeit ist, dass nachts niemand anruft und man sich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren kann. Der Nachteil ist, dass so mancher denkt, ich wäre ein Nichtsnutz, der bis mittags schläft… Haha… 🙂

Inzwischen gibt es ja eine Reihe deutscher Mangazeichner. Treffen Sie sich mit einigen davon auch privat und gibt es einen künstlerischen Austausch?

Oh ja! Ich bin mit vielen deutschen Zeichnern eng befreundet! Es gibt ja – vergleichsweise – nicht viele andere Menschen, die einen ähnlichen Arbeitsalltag mit ähnlichen Herausforderungen/Problemen/Freuden haben, wie wir Mangazeichner. Und diese Gemeinsamkeiten verbinden automatisch! Man kann sagen, dass sich viele Mangazeichner charakterlich in einigen Punkten ähneln. Wir sind ein eher gemütliches Volk, das meist weder raucht, noch übermäßig viel Alkohol konsumiert. Wir ermüden schnell und sehen jünger aus, als wir sind.
Natürlich bin ich nicht mit allen Zeichnern befreundet, aber mit einigen verbindet mich ein sehr starkes Band!

 Möchten Sie Ihren Fans und denen, die es noch werden wollen, noch etwas mitteilen?

Ja. Ich freue mich über jeden gekauften Mangaband aus deutscher/österreischischer/schweizer Feder und möchte mich herzlich für eure Unterstützung bedanken! Der deutsche Manga hat’s immer noch nicht leicht auf dem Markt. Aber dank eurem Interesse gehts immer mehr bergauf. Und das bedeutet vor allem eins: Noch mehr Geschichten von deutschen Zeichnern und die Erfüllung meines persönlichen Lebenstraums. 🙂
Vielen Dank! Ich hab euch lieb.

Vielen Dank für das Interview.