Heike SpechtHeike Specht hat sich einen Namen gemacht, indem sie eine Biografie von Lilli Palmer geschrieben hat.

Nun legt sie mit einem Buch über Curd Jürgens ein zweites Werk vor, das sich einem der größten Schauspieler unseres Landes widmet. Für Lazy Literature hat sie sich die Zeit genommen, ein paar Fragen zu beantworten. (Foto: Copyright Alois Jauch)

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.
Sie haben einige Biografien geschrieben. War das eher Zufall oder haben Sie sich dazu berufen gefühlt, dieses bestimmte Genre zu schreiben?

Für mich ist das Genre der Biografie eine wunderbare Möglichkeit, Geschichte erfahrbar, greifbar zu machen. Ich bin studierte Historikerin. Lilli Palmer und nun auch Curd Jürgens – beider Leben wurde durch die Ereignisse des 20. Jahrhunderts tief geprägt. Wenn ich mich mit dem Leben eines Menschen befasse, sehe ich die individuellen Charaktereigenschaften, Begegnungen, Erlebnisse, aber eben immer auch den historischen Kontext, in dem er lebte.

Wie kamen Sie auf die Idee, eine Biografie über Curd Jürgens zu schreiben?

Ich hatte mich zunächst mit Lilli Palmer beschäftigt. Palmer hat nach ihrer Rückkehr nach Deutschland in den 1950er Jahren einige Filme mit Jürgens gedreht, hat enge Freundschaft mit ihm geschlossen. Jürgens faszinierte mich dann immer mehr. Wie Palmer war er ein Kriegskind, aber anders als Palmer blieb er während der Jahre der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland. Nach dem Krieg waren beide Superstars in Deutschland. Jürgens aber gelang eine beispiellose Karriere in ganz Europa und auch in Hollywood. Er ist im Grunde bis heute der einzige Weltstar, den Deutschland nach dem Krieg hervorgebracht hat.

Nur zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat er in Filmen wie „Des Teufels General“ und „Duell im Atlantik“ den aufrichtigen Deutschen in Uniform gespielt. Das war vermutlich nur möglich, weil er im realen Leben nie Soldat war, sondern immer Zivilist geblieben ist. Auch seine Arbeit in Frankreich hatte durchaus völkerverbindende Wirkung. Ende der Fünfziger Jahre war Jürgens nach Jean Gabin und Fernandel der beliebteste Schauspieler in Frankreich. Curd Jürgens hat in diesem Sinne Deutschland in der Welt ein neues, ein sympathisches und, nebenbei gesagt, auch überaus attraktives Gesicht gegeben.

Aber auch von der Schauspielerei abgesehen, hat er was Prominenz betrifft neue Maßstäbe gesetzt. Er war der erste deutsche Star der Klatschkolumnen. Über Jahrzehnte kannte jedes Kind seinen Namen, sein Gesicht. Dieses Eintauchen in die glamouröse Jet-Set-Welt der Fünfziger und Sechziger Jahre – das war für mich schon aufregend.

Nachdem Sie schon Lilli Palmers Biografie veröffentlicht haben – inwiefern gestaltete sich die Recherche für die beiden Bücher unterschiedlich oder haben sie sich doch sehr geähnelt?

Bei der Recherche bin ich natürlich oft über die gleichen Schauspielkollegen, Regisseure, Produzenten etc. gestolpert. Einfach, weil die beiden sich in den 1950er und 1960er Jahren in einem ähnlichen Umfeld bewegten. Allerdings gab es im Fall Curd Jürgens’ einen beachtlichen Nachlass auszuwerten: Briefe, Tagebücher, Manuskripte, Fotoalben usw. Ein Traum für den Historiker. Ich konnte ihm als Mensch auf diese Art wohl noch ein wenig mehr auf die Spur kommen als Lilli Palmer, die leider kaum persönliche Dokumente hinterlassen hat.

In Ihrer Danksagung erwähnen Sie sehr viele interessante Namen, wie z.B. Margie Jürgens’ Tochter Miriam, Senta Berger oder andere Größen, die Ihnen Rede und Antwort gestanden haben bei Ihren Recherchen. Wie war die Zusammenarbeit mit ihnen?

Das empfinde ich als großes Privileg. Wenn Angehörige, Freunde und Kollegen ihre Erinnerungen mit mir teilen, ist es, wie wenn sich noch ein Fenster oder eine Tür öffnet. Es tut sich noch einmal ein neuer Blick auf die von mir untersuchte Person auf. Leider sind viele Weggefährten Curd Jürgens’ inzwischen auch nicht mehr am Leben, so dass der Zirkel der Zeitzeugen relativ klein war.

An welchem neuen Titel arbeiten Sie zur Zeit?

Ich habe ein neues Projekt im Kopf, aber darüber möchte ich momentan noch nicht sprechen. Sehr wahrscheinlich wird es aber wieder etwas Biografisches sein.

Welches Buch hat Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt bzw. welchen Autor bewundern Sie?

Gerade habe ich Irène Némirovskys „Die Familie Hardelot“ gelesen. Ein großartiger Roman. Das farbenprächtige Gemälde einer Welt, die es nicht mehr gibt. Überhaupt habe ich eine Schwäche für Familienromane. Sehr gern gelesen habe ich deshalb z.B. auch Jeffrey Eugenides’ „Middlesex“. Außerdem liebe ich die historischen und politischen Romane von Lion Feuchtwanger.

Möchten Sie den Lesern Ihres Buches noch etwas mit auf den Weg geben?

Natürlich hoffe ich, dass sie bei der Lektüre des Buches Neues entdecken und sich vielleicht auch von Curd Jürgens’ Lust an den schönen Dingen des Lebens anstecken lassen. Seine Weltläufigkeit, sein Savoir-Vivre müssen absolut mitreißend gewesen sein.

Vielen Dank für das Interview.