Lamb 01David T. Lamb ist der Autor des faszinierenden Buches „Der missverstandene Gott“ (God Behaving Badly). Als Professor für das Alte Testament ist er aktiv an vielen Projekten beteiligt, weshalb ich umso dankbarer bin, dass er die Zeit gefunden hat, einige Fragen für Lazy Literature zu beantworten. (Foto: Copyright Shannon Lamb)

Lassen Sie mich Ihnen als erstes danken, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.
In Ihrem Buch „Der missverstandene Gott“ schreiben Sie über Ihre Entscheidung, das Alte Testament zu studieren. Was daran ist für die Leser heute aktuell und modern?

Ich denke, dass das Alte Testament sehr wichtig für moderne Leser ist. Darin ist für jeden etwas enthalten.

Wenn man eine gute Geschichte mag, sollte man die Geschichte von Tamar, der rechtschaffenen Prostituierten, im ersten Buch Mose Kapitel 38 lesen, die von Balaam und seinem weisen sprechenden Esel (ein wenig wie Eddie Murphy als Esel in „Shrek“) im Kapitel 22-24 und die von Naamans Dienerin, die ihrem Entführer gute Neuigkeiten brachte (2. Könige 5).

Wenn man Quentin Tarantino Filme mag, sollte man die Geschichte der Levitischen Konkubine in Richter 19-21 lesen.

Wenn man leidet, deprimiert ist oder Probleme mit seiner Gesundheit hat, sollte man einen Trauerpsalm lesen und mit Kapitel 13 oder 22 der Psalmen beginnen.

Wenn man sich für Gerechtigkeit und die Sorge für die Armen interessiert, sollte man das Buch Amos oder Jesaja 58 lesen.

Wenn man ein Rechtsanwalt ist, sollte man über die Bundestreue im zweiten Buch Mose Kapitel 20-23 lesen.

Wenn man romantische Gedichte liebt, greift man am besten zum Hohelied.

Manchmal braucht man ein wenig, um diese Passagen zu verstehen und schätzen zu lernen, aber ich bin sicher, dass Leser, die sich bemühen, sie zu lesen und zu studieren, belohnt werden. Es ist der Mühe wert.

Ich muss zugeben, ich habe auch ein kleines Problem mit dem Gott des Alten Testaments, aber Ihr Buch hat mich dazu gebracht, dass ich neugierig auf das Alte Testament wurde. Erhalten Sie viele Briefe und E-Mails von Lesern?

Manchmal erhalte ich E-Mails mit Kommentaren oder Fragen zu dem Buch. Manchmal posten die Leser Posts auf meinem Blog. Die häufigste Frage, die ich erhalte ist: „Warum sind Sie nicht auf die Homosexualität eingegangen?“ Meine Antwort ist, dass das im Alten Testament nicht besonders häufig erwähnt wird. Alle anderen Themen, die ich in meinem Buch bespreche, werden im AT durchwegs tiefergehend behandelt. Ich erhalte Fragen über Polygamie und Sklaverei – „Warum ist es im AT okay, Sklaven/viele Frauen zu haben?“ Ich antworte normalerweise, dass das AT eigentlich in diesen Bereichen sehr modern ist, betrachtet man die restliche antike Welt. Für weitergehende Informationen dahingehend empfehle ich William Webbs Buch „Slaves, Women and Homosexuals: Exploring the Hermeneutics of Cultural Analysis“.

Wie reagieren Sie auf Rezensionen und Diskussionen, die aus dem Lesen Ihres Buches und dem Studieren der Theorien, die Sie präsentieren, resultieren, wie beispielsweise die durch die Rezension von Randal Rauser gestartete?

Ich habe leider nicht genug Zeit, um an allen Diskussionen teilzunehmen und jede Rezension zu lesen. Daher muss ich auswählen. Ehrlich gesagt ist es einfacher, mit den positiven oder neutralen Rezensionen zu interagieren als mit den kritischen. Die meisten Kritikpunkte stammen von Lesern, die glauben, dass mein Buch nicht akademisch genug oder zu oberflächlich ist. Bis zu einem gewissen Level stimme ich diesen Leuten zu. Aber es ist nicht möglich, all diese schweren Themen bis ins Detail in einem Buch zu erörtern, das weniger als 200 Seiten umfasst.

Rausers Rezension hat eine lebhafte Diskussion hervorgerufen, an der ich in einer idealen Welt gerne aktiv teilgenommen hätte. Leider erschien sie in einer Zeit, in der es mir gesundheitlich nicht gut ging, daher hatte ich genug damit zu tun, meinen Verpflichtungen in der Arbeit nachzukommen. (Seine Rezension ist aber auch wirklich lang!) Rauser und ich haben eine unterschiedliche Herangehensweise an das Problem eines gewalttätigen Gottes. Er folgert, dass der Gott des AT vielleicht nicht genau das tat, was der Text behauptet. Obwohl ich kein Problem damit habe, die Texte des AT symbolisch zu interpretieren, glaube ich nicht, dass es das ist, was das Buch Josua wirklich meint.

Wie kamen Sie auf das Thema des Buches? War das etwas, mit dem Sie selbst sich tiefergehend beschäftigen wollten?

Ich erhielt so viele Fragen bezüglich des negativen Verhaltens von Gott im Alten Testament, dass ich beschloss, darüber schreiben zu wollen. Dann hörte ich von Richard Dawkins Buch „Der Gotteswahn“ (The God Delusion) und wollte darauf antworten. Schwierig war für mich zu entscheiden, auf welche Themen ich mich konzentrieren wollte. Ich wollte mich auch mit der negativen Wahrnehmung Gottes in der Popkultur beschäftigen, daher halfen mir meine beiden Söhne als Rechercheassistenten dabei, wichtige Beispiele zu finden.

Wie schaffen Sie es, an Ihrem Glauben festzuhalten, wenn Sie mit gegensätzlichen Weltanschauungen, Theorien und Büchern konfrontiert werden?

Manchmal muss man nicht an seinem Glauben festhalten, sondern ihn aufgrund von neuen Beweisen verändern. Aber die meiste Zeit ist es für mich nicht schwer, weil es schwerwiegende Gründe gibt, weshalb ich an das glaube, woran ich glaube. Ich persönlich liebe es, in der Bibel zu lesen und zu versuchen sie zu verstehen und zu interpretieren. Wenn ich etwas Neues in der Schrift entdecke, versuche ich dafür offen zu sein, meinen Glauben zu überdenken. Wenn ich von jemand anderem etwas Neues höre, versuche ich zuzuhören und es zu verstehen, bevor ich mir eine Meinung bilde.

Wie finden Sie die Zeit, Bücher zu schreiben, neben all den Dingen, die Sie mit Sicherheit zu tun haben – sowohl für Ihre Karriere als auch für Ihre Familie? Sind Sie sehr gut organisiert?

Ich bin organisiert, aber nicht sehr gut. Mein Seminarkalender erlaubte es mir vor ein paar Jahren, meine Lehrstunden in den Monaten September bis April abzuhalten, weshalb ich zwischen Mai und August Zeit zum Schreiben hatte. Damals schrieb ich den Großteil des Buches. Gesundheitliche Probleme im Herbst 2012 haben mich davon abgehalten, viel zu schreiben oder zu bloggen.

Was halten Sie von popkulturellen Interpretationen biblischer Geschichten wie „Der Prinz von Ägypten“, „Joseph – König der Träume“, „Jesus Christ Superstar“, „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ oder sogar aktuellen Bestsellern, in denen Gott auftritt, wie „Die Hütte“ (The Shack) oder „Gott Bewahre“ (The Second Coming)?

Die meisten davon liebe ich („Gott Bewahre“ habe ich noch nicht gelesen). Ich erwarte von ihnen nicht, dass sie biblische Geschichten wortgetreu wiedergeben. Wenn man akzeptieren kann, dass jede dieser Geschichten ein Programm oder eine gewisse Neigung zu bestimmten Themen hat, kann man sie genießen und anerkennen.

Ich liebe „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ sehr. Ich zeige Ausschnitte davon in meinen Seminaren und höre mir den Soundtrack auf meinem iPod an. Die Musik ist fantastisch und die Texte sind witzig – die Kombination daraus ist außerordentlich unterhaltsam und sehr machtvoll.

Ich habe vor einigen Wochen erst „Die Hütte“ beendet. Obwohl meine eigene Theologie nicht auf „Die Hütte“ basiert, gibt es einige großartige Punkte über unsere Beziehung zu Gott und über Vergebung. Es ist kreativ, künstlerisch und spricht die Gefühle an. Es ist aber auch keine Überraschung, dass die Leute, die es auf der Rückseite meiner Ausgabe empfehlen, Musiker und Künstler sind, aber keine Theologen.

Ihr Lieblingsvers in der Bibel ist der Psalm 119. Warum haben Sie diesen bestimmten Psalm gewählt?

Der Psalmist und ich teilen eine Leidenschaft, eine Liebe und einen gewissen Enthusiasmus für die Bibel. Wie der Psalmist liebe ich es, andere dazu zu bringen, Gottes Wort zu lieben.

Was für Bücher lesen Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie Empfehlungen oder Titel, die Sie in den letzten paar Monaten beeindruckt haben?

Eric Metaxas‘ „Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet“ wurde mir von meinem Vater empfohlen. Sein Lieblingsvers ist auch Psalm 119. Bonhoeffer lebte ein erstaunliches Leben. Er war ein brillanter Theologe, der mühelos mit unterprivilegierten Heranwachsenden sprechen konnte und bereit war, das Böse der Nazis zu konfrontieren. Ich liebe dieses Buch.

Gerade habe ich „Mut! Warum Christen sich einmischen sollten“ (Just Courage) von Gary Haugen beendet, dem Gründer der International Justice Mission, einen Aufruf an die Christen, mutiger und risikofreudiger zu sein. Er erzählt Geschichten von der Aufgabe der International Justice Mission, Kinder überall auf der Welt aus der Kinderprostitution zu retten. Es ist sehr inspirierend.

Danke für das Interview.