Dale Lazarov Copyright 2014 Juddy Art GraffiteDale Lazarov hat das Talent, erotische Geschichten zu schreiben, die als Comics ohne Dialoge umgesetzt werden. Und die brauchen sie auch nicht unbedingt. Homosexuelle Leser kommen voll und ganz auf ihre Kosten. Freundlicherweise hat sich Dale ein wenig Zeit trotz seines vollen Terminplans genommen, um Lazy Literature ein paar Fragen zu beantworten. (Portrait Copyright: 2014 Juddy Art Graffite.  Copyright der Illustration von „PEACOCK PUNKS“: 2015 Dale Lazarov & Mauro Mariotti)

Dale Lazarov / Mauro Mariotti & Janos Janecki – Peacock PunksDanke, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.
Deine Comics sind sehr erotisch und sehr deutlich gezeichnet. Wie hast Du mit diesen Themen angefangen?

Ich habe schon immer über Sexualität und den Bezug zur Homosexualität in literarischer Prosa und in Gedichten geschrieben. 2002, als Steve MacIsaak mich gebeten hat, für ihn ein homoerotische Comics zu schreiben, weil er meine Schreibweise mochte, war es daher kein schwieriger Übergang. Besonders, weil ich Comics schon liebe, seit ich ein Kind war. Ich wurde in Puerto Rico geboren und groß gezogen. Dort gibt es so gut wie keine sichtbare homosexuelle Kultur und Beziehungen, während ich aufwuchs, deshalb war es für mich so bedeutsam, dieses Thema zu bearbeiten.

Du arbeitest mit verschiedenen Künstlern, die Deine Geschichten zeichnen. Wie würdest Du die unterschiedliche Arbeitsweise mit ihnen beschreiben, und gibt es jemanden, mit dem die Zusammenarbeit besonders einfach gewesen ist?

Die meisten Künstler erhalten ein Script, das bereits vollständig ist, und ich frage sie, ob sie den Stoff umsetzen möchten, wenn sie mir für die Geschichte geeignet erscheinen. Daher zeichnete Mauro Mariotti „Peacock Punks“. Das Script lag zehn Jahre bei mir, bis ich ihn auf Facebook kennen lernte. Mauro war der perfekte Künstler wegen seines bildhaften Stils und seiner Liebe zur alternativen Kultur. Meine übrigen Zusammenarbeiten erfolgen, wenn ich einen Künstler frage, was sie zeichnen wollen, oder wenn ich ihre Arbeit und das sehe, was sie in der Lage sind umzusetzen, und ich ihnen einen Vorschlag für eine Geschichte unterbreite. Bei „Pardners“ zum Beispiel habe ich Networking betrieben, bis ich bei einem homosexuellen Cartoonzeichner in Nashville gelandet bin, weil ich eine homosexuelle Graphic Novel machen wollte, die in Nashville spielt. Bo Revel wurde mir von meinen Fans in dieser Gegend ans Herz gelegt. Das war fast Schicksal. Glücklicherweise wollte Bo das zeichnen, was ich ihm vorschlug, also machten wir mit den Produktionsschritten weiter, die danach folgen.

Ich arbeite normalerweise mit professionellen Zeichnern, daher brauchen sie sehr wenig Anleitung wegen des Charakterdesigns, des Seitenlayouts, Vorzeichnungen, Tusche und der Farbgebung. Daher kann ich nicht sagen, dass die Arbeit mit dem einen Zeichner leichter gewesen wäre als mit einem anderen. 🙂

Dale Lazarov / Bo Revel – PardnersDer Fokus Deiner Comics liegt auf „sex positive“, also einer positiven Einstellung zum Sex, wie es auch immer am Anfang der Geschichten deutlich gemacht wird. War das ein spezifischer Fokus bei Deinen Geschichten, und wie gelingt es Dir, das immer einzubauen?

Vom ersten Tag an wollte ich Graphic Novels schreiben und als künstlerischer Leiter dafür agieren, bei denen der Fokus auf der positiven Darstellung von Homosexuellen und auf den Charakteren liegt. Außerdem war mir wichtig, dass der gezeigte Sex zwischen Männern ein Ausdruck von Intimität und Charakter ist, aber auch ein einfach nur sehr spektakuläres Ereignis in einem Comic. Die angedeuteten Vergewaltigungen und vorgeschriebenen Bildfolgen bei beispielsweise Boys Love oder Yaoi-Titeln im Manga habe ich dabei unbewusst gemieden, was ein Nebeneffekt war. Daher habe ich die Comics einfach veröffentlicht, ohne deutlich zu betonen, wie anders bei mir an homosexuelle Beziehungen und Sexualität herangegangen wird. Ich nahm einfach an, dass die Leute den Unterschied bemerken würden und die Welt groß genug ist, dass man verschiedene Positionen bezüglich Sexualität in Graphic Novels einnehmen kann.

Allerdings muss ich heutzutage deutlicher werden. Unglücklicherweise erhalten Boys Love und Yaoi den Hauptteil der Aufmerksamkeit in der homosexuellen Kultur, und ich werde entweder mit ihnen in einen Topf geworfen oder durch sie ausgebootet. Ich musste eine klare Position bei meinem Marketing einnehmen, um sicherzustellen, dass die Leser wissen, dass meine Arbeit kein Boys Love oder Yaoi ist, sondern etwas anderes, über das es sich lohnt als eigenständige Kunst zu reden. Es sprengt die Genre-Konventionen, die die Art (entschuldigt den Ausdruck) dominieren, wie Homosexualität und Beziehungen in Comics präsentiert werden. Da „sex positive“ beinhaltet, dass beide Partner dem Sex zustimmen und beide etwas davon haben, habe ich mich entschlossen, den Begriff für Sticky Graphic Novels zu benutzen.

Wie hat die Zusammenarbeit mit Bruno Gmünder begonnen?

Als wir ihnen vor zehn Jahren „Sticky“ zugesandt haben. Es war ziemlich einfach, weil sie gerade damit angefangen hatten, Graphic Novels zu veröffentlichen und nach weiterem Material suchten. Seit damals habe ich acht Graphic Novels bei Gmünder veröffentlicht. Dieses Jahr habe ich Lizenzen für die Marke Sticky Graphic Novels herausgegeben. Die Hardcover werden durch Gmünder lizenziert und die digitalen Versionen von Class Comics. Übrigens erscheint die Jubiläumsausgabe zum 10jährigen Termin der Veröffentlichung von „Sticky“ im März 2016!

Dale Lazarov / M. Broderick – Fast FriendsDa Du nicht bei der Euro Pride Con warst: Warst Du auf anderen Conventions und welche war die bisher interessanteste für Dich?

Da es schwerer ist, Hardcover für 25 Dollar auf Conventions zu verkaufen, statt Magazinausgaben für drei Dollar, halte ich mich mit einer Teilnahme bisher zurück, außer die Konditionen für eine Convention wären so gut, dass es finanziell für mich zu machen wäre. Letztendlich hat es allerdings keine Auswirkungen auf meine Veröffentlichungen, da Sticky Graphic Novels weltweit an Buchläden vertrieben werden.

Dein neuestes Werk „Pardners“ ist frisch aus der Presse. Was dürfen die Leser von diesem neuen Abenteuer erwarten, auf das Du sie mitnimmst, und weshalb sollten sie es ausprobieren?

„Pardners“ verleiht der Marke Sticky Graphic Novels einen neuen Kontext mit Fokus auf Nashville und setzt Lust und Zuneigung deutlich und atmosphärisch um.

„Nashville“ sollte ich wohl ein wenig genauer erklären: Ich habe mich gefragt, ob die vage Homoerotik, die auf einigen Country-Albencovern und in einigen Videos zum Tragen kommt, etwas wäre, das ich im Kontext einer homosexuellen Graphic Novels umsetzen könnte. Jeder liebt homoerotische Cowboys, daher war es einfach, diese Bilder zu benutzen, ohne gleich in ein Klischee zu verfallen, und außerdem neigen Countrymusikstars dazu, sehr gut auszusehen … Auch habe ich mich gefragt, ob die Spannung zwischen den traditionell übermaskulinen Männern der klassischen Countrymusik und den extravaganten Musikern der neueren Countrymusik zu einer interessanten Chemie zwischen zwei Männern führen würde. Da ein Teil dessen, was ich tue, ziemlich ungewöhnlich ist, war es mir einfach nicht möglich, der Idee zu widerstehen, das, was eine sehr homophobe und/oder heimlichtuerische Art des Umgangs mit Maskulinität und Generationenunterschieden darstellt, auf ungewöhnliche Weise zu interpretieren. Sobald mir klar wurde, dass ich eine Graphic Novel schreiben musste, die sich zum größten Teil um Küsse dreht – denn Country- und Westernmusik handelt ständig von Küssen –, wurde es mir unmöglich, nicht an diesem Buch zu arbeiten. Ich hatte Glück, dass ich durch ein paar Tage des Networkens mit meinen Fans in Nashville Bo Revel, einen Ortsansässigen in Nashville, fand, der die Szene kennt und das Buch zeichnete.

Dale Lazarov – Pardners p. 14

Die im Interview erwähnte Kussszene

Gibt es, da „Pardners“ jetzt erschienen ist, bereits ein neues Projekt, das Dich beschäftigt, oder nimmst Du Dir jetzt ein wenig Urlaub?

Dale Lazarov / Chas Hunter & Si Arden – BulldogsAuf keinen Fall! „Bulldogs“ erscheint im März bei Sticky Graphic Novels. Außerdem kommen in den nächsten Monaten einige neue digitale Veröffentlichungen: „Sly“ #2, „Tapstuds“ #2, „Carnal“ #2 (die alle als Hardcover geplant sind, sobald sie digital als Serie erschienen sind) und zwei digitale Mini-Comics.

Was möchtest Du Deinen Lesern – alten und neuen – noch mitteilen?

An meine alten Fans: Danke, dass Ihr versteht, was uns antreibt, und dass Ihr das unterstützt. Es ist unglaublich anstrengend, der Schöpfer von homosexuellen Graphic Novels zu sein. Zum Beispiel wurde ich gerade 30 Tage bei Facebook gesperrt, weil jemand ein Bild, das ich gepostet hatte und das vollkommen jugendfrei war, gemeldet hat, ohne dass ich Einspruch einlegen kann. Daher lässt mich Euer unentwegtes Interesse an Sticky Graphic Novels weitermachen.

An potentielle neue Fans: Wollt Ihr nicht mal sehen, was solche Fan-Treue inspiriert? Werft einen Blick auf Sticky Graphic Novels! 😉

Danke für das Interview!

Zur Originalversion in Englisch geht es hier.