Claudia Ott ist die Frau, die „101 Nacht“ für den westlichen Kulturkreis wiederentdeckt und neu übersetzt hat. Neben ihren Arbeiten an Übersetzungen hat sie sich freundlicherweise die Zeit genommen, einige Fragen für Lazy Literature zu beantworten. (Foto: Copyright Dominik Rößler)
Sie sind ja sehr umtriebig und nicht nur als Übersetzerin, sondern auch als Chorleiterin, Moderatorin und Musikerin tätig. Wie schaffen Sie es, das alles unter einen Hut zu bringen?
Ich versuche immer, ganz im Moment zu leben und hundertprozentig bei der Sache zu sein, egal ob ich gerade Mittagessen koche, vor meinem Chor oder vor Publikum stehe. Das genügt.
Was genau fasziniert Sie am Orient und der arabischen Kultur?
Es ist schwer, das in wenigen Worten zusammenzufassen. Die arabische Kultur ist ein ganzer Kosmos, der sich aus so vielen Quellen speist – geographisch wie historisch und literarisch, religiös und musikalisch. Vielleicht ist es das: In der arabischen Kultur ist so viel Lebensweisheit gespeichert, dass ich davon mein ganzes Leben lang profitieren werde.
Was hat Sie zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der arabischen Musik geführt?
Ich war zuvor „normale“ Flötistin und habe mit der arabischen Sprache irgendwann auch die Musiksprache erlernen wollen. Der Umstieg von Flöte auf Nay lag dann nahe.
Sie haben ein Lesekonzert zu „Tausendundeine Nacht“ gegeben. Was darf man sich als neugieriger Leser darunter vorstellen?
Einen literarischen Abend, an dem die Musik auf Augenhöhe mit der Literatur im Mittelpunkt steht. Die Musik dient also nicht nur als Untermalung der Texte, sondern wird konzertant dargeboten, allerdings immer im inhaltlichen Zusammenhang mit den vorgestellten Texten – sei es nun Tausendundeine Nacht, „Gold auf Lapislazuli“ oder 101 Nacht.
Für die Neuübersetzungen von „Tausendundeine Nacht“ mussten Sie sich ja nicht nur als Übersetzerin, sondern auch als Dichterin betätigen, um dem Text seine Ursprünglichkeit nicht zu nehmen. Wie schwer oder leicht fanden Sie diese neue Rolle?
Tatsächlich geht der schwierigere, aber auch der kreativere Teil der Übersetzungsarbeit erst los, wenn der Text „verstanden“ und bereits „philologisch korrekt“ übersetzt ist. Das macht das Übersetzen so schön.
„101 Nacht“ ist Ihre neueste Übersetzung und entführt den Leser erneut in die Welt des Orients. Das Werk ist mit vielen Hoffnungen und viel Neugier erwartet worden. Was war Ihre größte Freude an der Arbeit an diesem Buch?
Es war das erste Mal, dass ich an einem Manuskript gearbeitet habe, von dem es zuvor keine Druckversion gab. So durfte ich ganz nah am Text sein.
Welche der Geschichten aus „101 Nacht“ hat Ihnen am besten gefallen und warum?
Meine Lieblingsgeschichte ist die von der Kampferinsel, weil sie randvoll ist von den Lieblingsmotiven der Geschichten aus 101 Nacht: von unterirdischen Schatzhöhlen, von der Faszination an Automatentechnik, aber auch von tiefer Lebensweisheit.
Was war die größte Herausforderung, der Sie sich bisher in Ihrer Arbeit stellen mussten?
Jeder neue Text, jeder neue Satz ist immer die größte Herausforderung.
Haben Sie als Frau Schwierigkeiten in Ihrer Arbeit in der arabischen Welt? Oder gibt es positive Erlebnisse, an die Sie sich gerne erinnern?
Viele positive Erlebnisse, insbesondere Begegnungen mit Frauen, die mir nur als Frau möglich waren.
Möchten Sie Ihren Lesern noch etwas mitteilen?
Vielleicht einen Vers aus meinem Lieblingsgedicht aus 101 Nacht: „Geht dem Menschen etwas Gutes auch einmal verloren / Siehe, alles Gute kehrt, nachdem es fort war, wieder!“
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und alles Gute für die Zukunft.