Kompakt

Im Münchner Bräufassl geht es lustig, traurig und stets turbulent zu – Sophie Seidel erzählt in zahlreichen Anekdoten vom Kellner-Dasein und dem alltäglichen Wahnsinn.

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Sophie Seidel – Are you finished? No, we are from Norway!
Autor Sophie Seidel
Verlag blanvalet
Erschienen April 2015
ISBN 978-3-7341-0053-6
Seitenanzahl 272 Seiten

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Inhalt

Sophie Seidel arbeitet als Kellnerin – und Schriftstellerin. Während letzteres bei Freunden und Bekannten als anerkannter Beruf gilt, steht die Gastronomie eher in einem schlechten Licht da. Dabei ist gerade sie hart: jede Menge Stress, komplizierte Kunden und dann noch ein diktatorischer Koch; das muss man erst einmal schaffen … Aber nach erfolgreicher Eingewöhnung wird das „Bräufassl“ in der Münchner Innenstadt zu Sophie Seidels zweiter Heimat. Was sie und ihre Kollegen dort alles erlebt haben, fasst sie in zahlreichen Anekdoten zusammen, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen.

Stil und Verständnis

Die 14 Kapitel stehen immer unter einem bestimmten Thema, das mit einem passenden Zitat eingeleitet wird. Mehrere Ereignisse reihen sich – durch Absätze getrennt und ohne erkennbare Chronologie – aneinander, was stellenweise verwirrend ist. Am Ende der Kapitel steht jeweils eine Top-5-Auflistung, z. B. Top Five des broken English, der Touristenerlebnisse oder der Gäste, die sich wie zuhause fühlen. Zwischendurch erzählt die Autorin etwas aus ihrer eigenen Biografie, jedoch nur kurze Ausschnitte.

Sophie Seidel arbeitet schon lange als Kellnerin, vorwiegend jedoch in gediegeneren Kaffeehäusern – bis es sie ins „Bräufassl“ verschlägt. Das urbayrische Lokal ist ein hartes Pflaster: Das Klientel besteht aus Touristen und Einheimischen gleichermaßen und sie alle wollen nur eines, nämlich möglichst schnell und effizient bedient werden. Dass ist aber lange nicht so einfach ist wie gedacht – balancieren Sie mal 10 Bierkrüge in 2 Händen – und stellt die Autorin vor eine große Herausforderung, die sie mit zusammengebissenen Zähnen, der Hilfe ihrer Kollegen und einer Prise Humor meistert.

Dass der Humor ein notwendiges Gut ist, um in der Gastronomie (oder eigentlich in allen Lebensbereichen) zu überleben, beweisen die mitunter sehr skurrilen Episoden: Wer zum Lachen in den Keller geht, wird es in der Gastronomie schwer haben.

„Es ist ein Phänomen, dass Gäste immer glauben, man wisse alles. »Von welchem Tier ist dieses Geweih an der Wand?« Seh‘ ich aus wie ein Jäger? »Warum heißt es in Bayern Knödel und woanders Kloß?« Warum ist das überhaupt wichtig zu wissen? »Woher kommt das Wort Brokkoli?« Natürlich kann man nicht ohne kleines Latinum Bedienung werden. »Warum heißt es eigentlich TRINKgeld?« Weil die Kellner in früheren Zeiten alles versoffen haben. Er glaubt mir nicht. Stimmt aber.“ (S.98)

Freundlichkeit und gutes Benehmen fordern beide Seiten des Service – die des Kunden und die des Kellners. Bei manchen Episoden fragt man sich als Leser aber unweigerlich, wie solch ein Benehmen überhaupt zustande kommen kann – führen sich die Menschen in ihrem eigenen Zuhause genauso auf oder fühlen sie sich dort so frei, zu tun und lassen was sie wollen, weil ja jemand anderes als sie den Dreck wegräumt?

„Nachdem zwei Familien vom Tisch aufgestanden sind, um zu gehen, betrachte ich aus der Ferne die kleine Katastrophe. An den leeren Nebentischen werde ich die eigentlich frischen Tischdecken wechseln müssen, weil sie mit Buntstiften bemalt sind, und der große Tisch, an dem diese Gäste gesessen sind, sieht aus wie ein Schlachtfeld. Leni steht neben mir, und ich denke laut nach: »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Der Tisch und die Bänke sind voller Essen, Saft …« »Ich glaube«, meint Leni, »in diesem Fall wäre es einfacher den Tisch niederzubrennen.«“ (S.135)

Nach der Lektüre dieses Buches wirft man unweigerlich einen anderen Blick auf die Welt der Gastronomie, übt Bewunderung für die Stressresistenz und Menschenkompetenz, und überlegt sich, welche Art Gast man selber sein möchte. Am liebsten natürlich einer, der in guter Erinnerung verbleibt …

Aufmachung

Das Taschenbuch ist in blau gehalten und bietet auf Vorder- und Rückseite ausgewählte Sprüche der Bräufassl-Kunden – neben Klappentext und Coverbild.

Nach einer Widmung folgen das Inhaltsverzeichnis, ein Prolog sowie 14 Kapitel. Epilog, Glossar und Danksagung bilden den Schluss.

Ähnliche Titel

„Ich hab den Führer rasiert“ (Sven Bramert – Sachbuch); „Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck“ (Frau Steinbeck – Roman); „Gehört dieses Bein zu Ihnen?“ (Christian Strzoda – Sachbuch)

Herzlichen Dank an blanvalet für das Rezensionsexemplar.

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