Felix Mertikat und Verena Klinke sind die Schöpfer der Comicreihe „Steam Noir“, einem düsteren Steampunk-Abenteuer made in Germany. Felix Mertikat ist dabei der Zeichner und arbeitet eng mit Verena Klinke zusammen an der Ausarbeitung der Geschichte. Auf dem Comicsalon Erlangen ergab sich die Gelegenheit, einem Vortrag der beiden zu „Steam Noir“ zu lauschen und danach einige Fragen zu stellen. (Foto: links Julia Weisenberger, Mitte Verena Klinke, rechts Felix Mertikat)

Danke, dass Ihr Euch die Zeit für das Interview genommen habt.
Was war denn zuerst da bei Eurem „Steam Noir“-Universum – die Welt oder die Charaktere?

Felix Mertikat (FM): Die Welt. Die Welt existiert seit 2008, ist aber schon seit ungefähr zehn Jahren im Entstehen begriffen. Steam Noir entstand aus „Opus Anima“, einem Rollenspiel, und wurde in vielerlei Hinsicht vereinfacht und runder gemacht. Danach folgten die Figuren. Es kommt mir zu sehr gewollt vor, wenn man zuerst die Figuren hat und darum die Geschichte bastelt – zu konstruiert.

Wie behält man bei dieser Menge den Überblick?

FM: Der Kopf kann viel behalten und wenn es einem logischen Konzept folgt, ist es erstaunlich, was man sich alles merken kann. Nach dem ersten Band kam Verena als neue Autorin hinzu, nachdem Benjamin gegangen war. Daher kann Verena am besten erklären, ob es schwer für sie war, die Zusammenhänge mitzubekommen. [Anm.: Benjamin Schreuder, der bei Band 1 mitarbeitete, schied aus dem Team aus, womit Verena Klinke nun diejenige ist, die für die Ausarbeitung der Welt und Geschichte mit verantwortlich ist.]

Verena Klinke (VK):  Ich kam über „Opus Anima“ zum Team, bevor „Steam Noir“ überhaupt geboren war. Ich habe die Entwicklung also von Anfang an begleitet und so war es nicht schwer, den Einstieg zu finden. Ich habe schon im ersten Band bei der Hintergrundgeschichte mitgeschrieben, so dass es nur ein Einarbeiten in die Figuren war, weniger in das Universum. Ich habe rund um die Uhr mit diesem Projekt zu tun, daher fällt es mir leicht, die Fakten parat zu haben. Nur ein paar Jahreszahlen müssen wir immer wieder nachschlagen.

Das Genre Steampunk befindet sich ja momentan auf dem aufsteigenden Ast. War die Faszination dafür schon immer vorhanden?

FM: Wir haben vor einigen Jahren „Opus Anima“ als Science-Fiction-Rollenspiel gestartet. Anfang der 2000er Jahre habe ich das erste Mal Steampunk- Versatzstücke im Film „Stadt der Verlorenen Kinder“ oder bei „Lemony Snicket“ gesehen. Damals waren es nur fünf Titel, die im Lexikon unter „Steampunk“ bei Wikipedia gelistet waren. Inzwischen ist der Begriff ja weit verbreitet. Steampunk kann man unter zwei Aspekten betrachten: den inhaltlichen und den ästhetischen Steampunk. Letzterer ist eine Art Mode und besteht aus Versatzstücken, wie Dampfmaschinen oder anderen Hilfsmitteln, die vom Schöpfer festgelegt werden. Der inhaltliche Steampunk dagegen ist eine Fragestellung: Wie geht der Mensch mit der voranschreitenden Technologie um? Wie ist seine Rolle bei der technischen Revolution? Welche Gefahren gehen davon aus? Welche Verantwortung kommt auf den Menschen zu, wenn er nun durch Maschinen sehr viel mehr Zerstörung anrichten zu können; beispielsweise tötet ein explodierender Dampfkessel mehr Menschen als ein einzelner umfallender Baum.

Jules Verne beispielsweise ist inhaltlicher Steampunk ohne Dampfmaschinen oder ähnliches. Er behandelt beispielsweise Reisen um die Welt, die mit modernen Maschin zum ersten Mal in kurzer Zeit möglich waren.

Signierstunde in Erlangen – Felix stilecht im Oldtimer, Verena mit Federhalter und Comicbänden

Wie sprecht Ihr Euch bei der Entstehung des Comics ab?

VK:  Wir wohnen in der gleichen WG, daher ist das einfach. Wir müssen sehr Hand in Hand arbeiten. Zum Beispiel ist das Design der Figuren, das Felix entwirft, wichtig für ihre Charakterisierung.

Wie eng arbeitet Ihr bei der Panelaufteilung zusammen, denn die ist sehr künstlerisch, wie in Eurem Vortrag klar wurde und jedem, der die Comics liest, deutlich werden dürfte?

VK: Drei Monate lang haben wir Band 2 bis 4 ausgearbeitet und ein umfassendes Konzept erstellt, als ich als Autorin dazugekommen bin. Daher sind wir beide mit den Motiven und der Entwicklung der Figuren bestens vertraut. Bei Szenen, in denen der Dialog wichtig ist, schreibe ich zuerst den Dialogverlauf und gebe den an Felix weiter. Nachdem er das Storyboard erstellt hat, setzen wir uns wieder zusammen, um Bilder und Dialog aufeinander abzustimmen.

Die Abgrenzung der Panels findet nicht durch weiße Stege, sondern auf sehr künstlerische Art statt. Es ist im Grunde ein Gesamtkunstwerk. Die enthaltenen Muster gehen von einem Panel über in den Hintergrund und verbinden dadurch die Bilder miteinander. War das geplant?

FM: Manchmal ja, aber manchmal ergibt es sich auch einfach so. Storyboarding ist das härteste überhaupt, denn wir müssen Bilder streichen und Text streichen, an denen unser beider Herz hängt. Meist beginnen wir mit ungefähr 9 Panels pro Seite und streichen sie herunter auf 4 oder 5, um die Lesefreundlichkeit zu erhöhen. Die deutsche Sprache hat nunmal eine gewisse Silbenanzahl, unter die man nicht gehen kann in den Sprechblasen.

VK: Man arbeitet eng zusammen, so dass unsere Ansichten oftmals aufeinanderprallen. Am Ende diskutieren wir heftig und sind dann umso glücklicher, wenn wir uns auf etwas geeinigt haben, das beide Disziplinen – Text und Zeichnung – miteinander verbindet.

In einem anderen Interview wurde erwähnt, dass Ihr mit der Modedesignerin Sammy the Scissors aus Berlin, der Name ihres Labels ist „Redcat 7“, zusammenarbeitet. Wie kam es dazu?

FM: Im zweiten Band stammt das Kostüm auf dem Cover von Sammy, allerdings musste ich die Bluse ändern und sie nicht mehr blickdurchlässig machen. Das Kleid, das Frau D von Manuela im zweiten Teil erhält, ist u.a. auch von der Modedesignerin. Bisher konnten wir noch nicht alles benutzen, weil die Figuren noch teilweise Kleidung aus dem ersten Band tragen, bei dem Sammy noch nicht mit von der Partie war. Im dritten und vierten Band wird es jedoch noch mehr.

VK: Ich mag es, wenn Felix bestimmte Accessoires des einen Outfits mit anderen Modestücken kombiniert, so dass er dem Ganzen eine eigene Note verleiht. Dafür können aber die Fans das Kleid in dieser Form leider auch nicht nachkaufen.

Signierstunde im Oldtimer in Erlangen

Ihr habt zum zweiten Teil nun die Autoren gewechselt. Wie kam es dazu?

FM: Benjamin und ich haben in der gleichen Firma gearbeitet. Ich bin inzwischen ausgestiegen, weil ich Comiczeichner sein und bleiben möchte. Dazu brauche ich einen Autor, der mir zur Verfügung steht. Benjamin schreibt inzwischen Kinderbücher.

VK: Felix fordert, was die Geschichte angeht, einiges. Er ist ein wirklicher Erzähler, was die Zusammenarbeit mit ihm leichter macht – auf gewisse Weise aber eben auch schwerer, wenn wir beide am Storyboard sitzen und diskutieren.

Felix, bei Dir steht demnächst ein Fantasy-Projekt an. Gibt es dazu schon Neuigkeiten?

FM: Ja, ich arbeite mit Bernhard Hennen zusammen. Er kam auf mich zu und wollte ein Elfen-Comic machen. Er hat sich darauf eingelassen, dass ich keine, für mich schwierigen Elfen zeichne. Ich mag Monster, Menschen und ähnliches, aber Elfen liegen mir nicht so recht.  Inhaltlich wird es einen Elfen geben, der in die Menschenwelt wandert, von daher wird es viele andere Rassen geben – nicht nur Elfen. Sobald etwas konkret wird, kann ich mehr darüber berichten, denn dafür werde ich wieder einen eigenen Stil entwickeln müssen. Ich möchte für jedes Projekt einen anderen Stil entwickeln – wie sieht beispielsweise eine Wolke aus? Wie stellt sich eine Zigarettenwolke vor einem Gesicht dar? Wie sehen Bäume aus – Striche oder detailliert? Ich will immer weiter lernen und Neues ausprobieren.

Verena, bei Dir steht ein Romanprojekt an, habe ich gelesen. Worum wird es gehen?

VK: Ich lese eher die Klassiker und habe ein Jahr lang Literatur studiert.  Meine Liebe gilt dem Sturm und Drang und der Romantik. Mein Roman handelt von einem jungen Mann namens Adam, der sich auf die Suche nach dem Paradies macht und schließlich im Irrenhaus landet.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die zukünftigen Projekte.