Julia Schwenk ist eine der beiden Gründerinnen des Cursed Side-Verlags, neben Simone Neblich-Spang, der sich auf Boys Love/Gay Romance-Romane und -Manga spezialisiert hat. Auf der Leipziger Buchmesse ergab sich die Gelegenheit, einige Fragen loszuwerden. (Foto: links Julia Weisenberger, rechts Julia Schwenk)

Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast.
WIe kommt man auf die Idee, einen Verlag mit gerade diesem Schwerpunktthema zu gründen?

Ich bewege mich selbst schon sehr lange in der BoysLove/GayRomance-Szene. Ich habe als Jugendliche durch eine Freundin den Kontakt zu Mangas gefunden. Irgendwann habe ich mich nach langer Bearbeitung zu diesen „komischen Dingern mit den großen Augen“ überreden lassen – man kommt ja irgendwann nicht mehr aus. Eigentlich hatte ich fest vor, das Ganze völlig uninteressant zu finden, musste dann aber zugeben, dass es mich fasziniert hat und ich unbedingt mehr wissen wollte.

In meinem letzten Schuljahr bin ich dann durch die Mithilfe bei Conventionorganisationen in die Branche gestolpert. So konnte ich ins (Klein-)Verlagswesen schnuppern und irgendwann wurde aus der fixen Idee, da selbst mitzumischen, Realität.

2007 gründete ich, damals zusammen mit einer Freundin, sehr blauäugig und komplett unwissend den Verlag „Cursed Publishings“ – eine Erinnerung, die mich heute manchmal schon schaudern lässt, bei der übergroßen Portion an Idealismus, die da mit am Werk war. 🙂 Durch Recherche und Kontakte aus der Branche habe ich mich immer weiter in die Materie eingearbeitet und mir wurde dabei eins ziemlich schnell klar: Bücherdrucken erfordert einiges an Kapital, wenn man nicht auf Print on Demand zurückgreifen will.

Nun hat man ja im Regelfall als Normalsterblicher nicht einfach so Entsprechendes zur Verfügung, weswegen wir den Buchgedanken vorerst zurückgestellt haben und ein Merchandise-Projekt in Form von Postern ins Leben gerufen haben. Wissen kann man sich anlesen, aber Kapital ist schwerer zu beschaffen.

Der Stand des Cursed Side-Verlags auf der Leipziger Buchmesse

Da standen wir also – mit genau sechs Postern! – auf der Leipziger Buchmesse. Wir hatten, und haben immer noch, sehr viel Unterstützung von fantastischen Zeichnern und unglaublichen vielen Leuten, die an uns geglaubt haben und konnten so nach und nach Fuß fassen.

Dann kamen schließlich ab 2008 die ersten Romane und Mangas und jetzt haben wir ein gemischtes Programm, dessen Fokus sich aber inzwischen definitiv in Richtung Romane verschoben hat.

Wann kam es dann zu der Fusion mit „The Wild Side“?

Wir haben schon vor der Fusion eng mit Simones Verlag zusammengearbeitet, Standkooperationen u.ä. gemacht. Da war der Schritt zur Zusammenlegung nicht mehr allzu fern, denn anstatt dass jeder in seiner Firma alles macht, können wir nun unsere Stärken und Schwächen nutzen und ausgleichen. Und so wurde aus „The Wild Side“ und „Cursed Publishings“ 2010 „Cursed Side“.

Welche Rolle übernimmst Du im Verlag und welche Simone?

Simone ist für das komplette Backoffice, die Warenwirtschaft und die Buchhaltung zuständig. Alles, was mit Projekten und Projektbetreuung zu tun hat, fällt in meine Zuständigkeit. Wir ergänzen uns da sehr gut, weil wir beide wirklich froh sind, nicht den Bereich des anderen übernehmen zu müssen. 🙂

Wie reagieren die Leute, wenn Du ihnen sagst, in welche Richtung der Verlag geht?

Sehr unterschiedlich. Die meisten sind neugierig, weil sie davon ausgehen, dass unsere Zielgruppe ein schwules Publikum ist, dabei ist die Mehrheit unserer Leser tatsächlich weiblich. Auch unsere Autorinnen sind zu 90% Frauen. Die Frage, die sich dieser Aussage sofort anschließt, ist dann immer: „Warum?“

Skepsis ist mir eher aufgrund meines Geschlechts und meines Alters begegnet. Gerade die Comichändlerszene, die der erste Absatzmarkt für unsere Romane und natürlich unsere Mangas war, ist eher männerdominiert und unsere Geschäftspartner sind fast alle ein gutes Stück älter und natürlich deutlich länger im Geschäft als ich. Es hat eine Weile gedauert, aber inzwischen haben wir uns unseren Platz erarbeitet.

Eine Titelauswahl vom Stand der Leipziger Buchmesse

Wie verläuft die Arbeit mit den Autoren? Ihr habt amerikanische Autoren und deutsche. Gibt es da Unterschiede?

Ja, das sind zwei komplett verschiedene Entstehungsprozesse. Bei den englischsprachigen Titeln kaufen wir Lizenzen ausländischer Verlage ein. Das bedeutet, die Bücher existieren bereits und wir kaufen die Lizenzen, es hier in übersetzter Form veröffentlichen zu dürfen. Wir haben zwei bis vier Übersetzer, die auf Honorarbasis je nach Auftragslage für uns arbeiten. Nach der Übersetzung geht der Text zur redaktionellen Bearbeitung ins Lektorat und anschließend in die Herstellung.

Mit unseren deutschen Autoren arbeiten wir vom ersten Moment an sehr eng zusammen; wir entwickeln die Geschichte meist in Zusammenarbeit und betreuen die komplette Schaffensphase. Ab dem Zeitpunkt der Manuskriptabgabe sind alle weiteren Abläufe im Prinzip die gleichen wie bei einem Lizenztitel, mit Ausnahme der inhaltlichen Nachbearbeitung, bei der der Autor natürlich mitwirkt.

Bislang werden unsere deutschen Romane durch Illustrationen unterstützt – wie bei japanischen Light-Novels beispielsweise –, allerdings ist es fraglich, ob und wie wir dieses Konzept in Zukunft weiterführen können. Manchmal findet sich kein passender Illustrator zum Autor oder ein Titel ist einfach nicht zum Illustrieren geeignet. Zeichen- und Schreibstil müssen ja zusammenpassen, genauso wie Inhalt und Bilder.

Habt Ihr einen bestimmten Zeichnerstamm, den Ihr dafür hinzuziehen könnt?

Ja, wir haben einen festen Zeichnerstamm, der stetig wächst. Allerdings ist natürlich nicht jeder Zeichner bzw. jeder Zeichenstil für alles geeignet. Es gibt viele, die sehr niedlich zeichnen, was z.B für Merchandise-Produkte sehr gut ist, sich aber weniger für Buchillustrationen eignet. Diese Auswahl ist das Schwerste zum Start eines Projekts.

Bekommt Ihr Fanpost?

E-Mails, ja. Briefe manchmal. Vor einiger Zeit haben wir ein Paket mit einigen unserer eigenen Büchern bekommen, der von einem sehr, sehr netten Brief begleitet wurde, in dem die Absenderin schrieb, sie fände die Bücher sehr toll, aber ihr seien bei den älteren Titeln Fehler aufgefallen und sie hätte sie korrigiert. Im ersten Moment waren wir einfach baff und äußerst überrascht. Heute ist sie eine unserer Proofreaderinnen.

Welche Titel liegen Dir denn besonders am Herzen?

Die Eigenproduktionen, denn die Arbeit mit deutschen Autoren und Zeichnern ist unglaublich kreativ und vielseitig. Natürlich ist es auch toll, Übersetzungen produzieren zu können und diese spielen sicher keine untergeordnete Rolle, aber das Verhältnis zu den bei uns entstandenen Büchern ist doch ein anderes.

Wir arbeiten in der Regel ein Jahr oder mehr an einem Titel, der Kontakt mit den Autoren und Zeichner ist sehr eng und die Verbundenheit mit den Werken durch den Entstehungsprozess höher.

Ist Deine Arbeit am Verlag Dein Hauptberuf?

Ja, aber ich habe noch einen Teilzeit-Job zur Absicherung, weil zwei Jahre für einen Verlag noch zu kurz sind, um wirklich komplett davon leben zu können. Ich studiere nebenbei auch noch im Fernstudium, das lässt sich gut mit meinen Arbeitszeiten vereinbaren.

Wie sehen denn die Pläne für die nächsten Titel aus?

Das Ziel ist, auf zwölf Titel im Jahr zu kommen, von denen mindestens zwei bis drei Eigenproduktionen sind. Ein volles Programm mit zwölf Büchern können wir nur mit deutschen Titeln nicht aufbauen, da hier momentan durchaus ein Nachwuchsproblem besteht. Lizenzen sind in dem Fall sehr dankbar, da sie gut vorbereitet werden können.

Was machst Du in Deiner Freizeit, sofern Du eine hast?

Inzwischen habe ich sogar wieder welche… meistens zumindest. 🙂 Bei mir ist viel mit der Firma verbunden, da z.B. viele Freundschaften aus der Arbeit heraus entstanden sind und sich natürlich auch in der Zeit außerhalb des Büros viele Gespräche um den Verlag drehen.

Davon abgesehen mache ich äußert gerne Handarbeiten, ich sticke, nähe und stricke, das entspannt mich. Kochen lässt mich abschalten nach einer langen Woche, dabei kann ich wunderbar „runterkommen“.

Und auch wenn es mich selbst manchmal wundert: Ich bin immer noch ein Bookaholic und lese auch in meiner Freizeit noch sehr viel. Viele meiner Verlagskollegen haben durch ihren Job den Spaß am Lesen verloren, ich dagegen verliere mich nach wie vor gerne in Büchern.

Vielen Dank! Ich bin gespannt, was die Zukunft bringen wird.